Volksabstimmung in Ägypten: Islamisten erklären sich zum Sieger

Es gibt noch kein offizielles Ergebnis, aber die Islamisten um Präsident Mohammed Mursi haben sich bereits zum Sieger des Referendums über eine neue ägyptische Verfassung erklärt. Wie die Muslimbruderschaft mitteilte, sprachen sich bei der Abstimmung insgesamt 64 Prozent der Wähler für den Entwurf aus. Ähnliche Zahlen meldete auch das Nachrichtenportal 'Ahram Online'.

Officials count ballots after polls closed in Bani Sweif, about 115 km (71 miles) south of Cairo December 22, 2012. Early indications showed Egyptians approved an Islamist-drafted constitution after Saturday's final round of voting in a referendum despite opposition criticism of the measure as divisive. REUTERS/Stringer  (EGYPT  - Tags: POLITICS ELECTIONS)
Nach der Abstimmung in Ägypten werden die Stimmen ausgezählt.

Allein im zweiten Durchgang hätten gut 71 Prozent der Wähler mit Ja und nur knapp 29 Prozent mit Nein gestimmt, hieß es unter Berufung auf eine Auswertung der Ergebnisse fast aller Wahllokale. Die Abstimmung war von chaotischen Zuständen geprägt. Die Opposition wirft den Islamisten Wahlrechtsverstöße vor.

Oppositionsgruppen hatten Beobachter ins ganze Land entsandt, um die Wahl zu beobachten. Die Islamisten beherrschten das Land, organisierten die Abstimmung und beeinflussten die Menschen, sagte ein Vertreter der Nationalen Erlösungsfront. "Was hätten wir sonst erwarten können?" Zudem sollen Liberale, Linke und Christen in manchen Gebieten an der Stimmabgabe gehindert worden sein.

In der ersten Wahlrunde in den Städten vor einer Woche hatte die Zustimmung nach ebenfalls noch inoffiziellen Ergebnissen bei 56 Prozent gelegen. Zusammengerechnet ergebe dies eine Mehrheit von 63,96 Prozent für die Verfassung, meldete 'Ahram Online'.

Im zweiten Durchgang war mit einer Mehrheit für den Verfassungsentwurf gerechnet worden, da vor allem in ländlicheren Gebieten abgestimmt wurde, in denen die Islamisten traditionell stärker vertreten sind. Offizielle Ergebnisse sollen nicht vor Montag verkündet werden.

Mursi ernennt Mitglieder des Schura-Rats

Unterdessen hat Mursi hat ein Drittel der Mitglieder des einflussreichen Schura-Rats ernannt. Die Muslimbruderschaft veröffentlichte ein entsprechendes Dekret des Präsidenten im Internet. Darin werden die 90 Mitglieder des Rates namentlich aufgelistet. Wie die islamistische Bruderschaft mitteilte, sind darunter auch zwölf koptische Christen. Zwei Drittel der Ernannten seien Islamisten, hieß es.

Der von den Islamisten kontrollierte Schura-Rat bildet das Oberhaus des ägyptischen Parlaments. Er soll, falls die Verfassung angenommen wird, so lange Gesetze beschließen, bis ein neues Parlament gewählt ist.

Wenige Stunden vor dem Ende der Abstimmung trat Vizepräsident Mahmud Mekki zurück. In einer Erklärung wies er darauf hin, dass in dem Entwurf zur neuen Verfassung das Amt des stellvertretenden Staatsoberhauptes nicht vorgesehen ist. Eine konkrete Begründung für seine Entscheidung lieferte er aber nicht. Der Stellvertreter Mursis erklärte, eigentlich habe er sein Amt bereits im November niederlegen wollen. Er habe diesen Schritt aber wegen der Unruhen in seinem Land und des aufflammenden Nahost-Konflikts verschoben.

Der Streit um das von Muslimbrüdern und Salafisten erarbeitete Regelwerk hat Ägypten tief gespalten. Die Opposition wirft Mursi vor, einen Entwurf durchgesetzt zu haben, der vor allem Islamisten entgegenkommt und die christliche Minderheit und Frauen benachteiligt. Unterstützer des Präsidenten sehen sie dagegen als Schritt zur Demokratie. Die neue Verfassung ist auch Voraussetzung für Parlamentswahlen. Der Machtkampf um die erste Verfassung nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Husni Mubarak hat in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land immer wieder Massenproteste und tödliche Krawalle ausgelöst.