Mobilitäts-Flatrate
Verzögerung des 49-Euro-Tickets? Fallstricke bei der ÖPNV-Flatrate
von Niels Kruse
Wackelt nun auch der 1. Mai als Starttermin für das 49-Euro-Ticket? Die Bundesländer zeigen auf Verkehrsminister Volker Wissing, der den Start behindere – wo die Fallstricke bei der ÖPNV-Flatrate liegen.
Nachfolger des 9-Euro-Tickets: Wann kommt die neue Option?
Was für ein entspannter Sommer für Pendler, Ausflügler und Urlauber. Nie war Bus und Bahnfahren so einfach, als vergangenes Jahr drei Monate lang das 9-Euro-Ticket galt. Der Erfolg war so überwältigend, dass bald ein Nachfolger beschlossen wurde: das 49-Euro-Ticket. Ursprünglich sollte es schon zum Jahreswechsel kommen. Dann am 1. April. Mittlerweile ist der 1. Mai als Starttermin im Gespräch, doch selbst der wackelt offenbar.
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Verkehrsministerium: "Wir sind verwundert, dass er mit den Vorbereitungen nicht vorankommt"
Der neuste Buhmann in der schleppenden Einführung sitzt nach Ansicht der einiger Länderregierungen in der Berliner Invalidenstraße. Dort hat das Verkehrsministerium mit dem Dienstherrn Volker Wissing (FDP) seinen Sitz. "Wir sind verwundert, dass er mit den Vorbereitungen nicht vorankommt", sagt nun etwa Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann. Aus Bremen assistiert Mobilitätssenatorin Maike Schaefer mit den Worten: Für einen termingerechten Start brauche man einen Minister, "der nicht die Umsetzung blockiert".
Dort verweist man auf die Umstände. "Das ist ein extrem herausforderndes Prozedere", sagt Ministeriumsprecher Tim Alexandrin dem stern. "Der Abschied von komplizierten Tarifstrukturen, das Überwinden von starr begrenzten Verkehrsverbünden, das Einführen eines bundesweit gültigen Abo-Systems, die Umstellung von Analog auf Digital – das alles birgt technische wie rechtliche Herausforderungen."
Kurz gesagt an der deutschen Kleinstaaterei in Sachen öffentlicher Nahverkehr.
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Regionale Unterschiede: Hindernisse des 49-Euro-Tickets
Es gibt in Deutschland 75 Verkehrsverbünde, einige winzige wie die Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw in Baden-Württemberg, andere decken gleich zwei ganze Bundesländer ab wie der VBB in Berlin und Brandenburg. All diese Gesellschaften müssen sich für das 49-Euro-Ticket mit den jeweiligen Bundesländern koordinieren, die sich untereinander und dann hat auch Verkehrsminister Wissing noch ein Wörtchen mitzureden. Am Ende muss noch die EU ihren Segen geben. Das dürfte aber nur das kleinste Problem sein.
Was das konkret bedeutet, sagt Rainer Vohl vom Verkehrsverbund HVV in Hamburg: "Es gibt viele regionale Unterschiede, die wir angleichen müssen. Bei uns zum Beispiel können Abonnenten am Wochenende eine Person sowie drei Kinder kostenlos mitnehmen. Woanders geht das nicht. Manche Abo-Tickets wiederum sind übertragbar, manche nicht."
Dazu kommt die Vorgabe des Bundes, dass das 49-Euro-Ticket bundesweit gültig sein muss und nur digital vorliegen darf. Allerdings gibt es immer noch Verkehrsverbünde, die nicht einmal eine App haben und die in kurzer Zeit auch kein digitales Angebot stemmen können. Nicht nur deshalb lehnt Bayern Wissings Plan ab: "Längst nicht alle Menschen haben ein Smartphone, das gilt für Ältere wie auch für kleine Schulkinder", so der Verkehrsminister des Landes Christian Bernreiter (CSU) in einem Interview.
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Erfolg des 9-Euro-Tickets: ÖPNV hat drei Monate lang Fünfe gerade sein lassen.
Die Frage, warum die Einführung des 9-Euro-Tickets im Gegensatz zum 49-Euro-Ticket so reibungslos verlief, sich mit untypisch deutscher Nachlässigkeit beantworten. "Das Ticket war nur auf drei Monate ausgelegt und salopp ausgedrückt hat es einen hessischen Schaffner nicht interessiert, ob das Ticket aus Schleswig-Holstein überhaupt gültig war", so HVV-Sprecher Rainer Vohl. Anders gesagt: Der Erfolg des 9-Euro-Ticket lag auch daran, dass der ÖPNV drei Monate lang Fünfe hat gerade sein lassen.
Die Verkehrsverbünde beteuern, dass sie und die Bundesländer trotz aller Schwierigkeiten bereit sein, das 49-Euro-Ticket zu starten. "Hinter den Kulissen passiert sehr viel", sagt Vohl, der davon ausgeht, dass es am 1. Mai losgehen wird. "Weil es klappen muss."
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei stern.de.