Krefelder Affenhausbrand: Mutmaßliche Verursacherinnen "am Boden zerstört"

Werden sie sich jemals selbst verzeihen können?

A toy monkey is seen between flowers and candles outside the zoo of Krefeld after a monkey house burned down and dozens of animals were killed by the fire in Krefeld, Germany, January 2, 2020. REUTERS/Thilo Schmuelgen     TPX IMAGES OF THE DAY
Nach dem Brand im Krefelder Zoo ist die Trauer in der Bevölkerung groß.
TS/MAR, REUTERS, THILO SCHMUELGEN

Die Intention war gut, die Folgen jedoch verheerend: Drei Frauen wollten das neue Jahr mit sogenannten Himmelslaternen begrüßen, auf denen gute Wünsche und Gedanken notiert waren. Eine dieser Laternen löste vermutlich den schrecklichen Brand im Affenhaus in Krefeld aus, bei dem bis auf zwei Schimpansen alle Affen ums Leben kamen. Die Frauen meldeten sich bei der Polizei, nachdem sie aus den Medien von dem Brand erfahren hatten. Sie sind laut Polizeiauskunft „am Boden zerstört“, eine solche Tragödie verursacht zu haben. Wie kann man mit einer solchen Schuld leben?

"Schuldige müssen sich fragen, ob sie ohne Strafe durch die Tat lernen"

Der Diplom-Psychologe und Traumatherapeut Michael Kopper ist spezialisiert auf den Umgang mit belastenden und traumatischen Lebenssituationen. Im Interview erklärt der Experte, was Schuld in uns auslöst und was dabei helfen kann, mit einer solch belastenden Situation umzugehen.

Grundsätzlich plagen Schuld und Schuldgefühle sehr viele Menschen, so Kopper. „Schuld dient dazu, einen Verursacher zu finden, der eine Tat begangen hat, um damit präventiv einer neuen Tat durch die Strafe entgegenzuwirken.“ Dies übernehme der Schuldige oder derjenige, der sich schuldig fühle, häufig selbst, erklärt der Experte. „Schuldige müssen sich fragen, ob sie auch ohne Strafe durch die Tat lernen – hier ist Einsicht ein zentraler Punkt".

Wie können die Frauen wieder zurück ins normale Leben finden?

Grundsätzlich beeinflusse der generelle Umgang mit Stress, den jeder individuell in seiner Kindheit gelernt und verinnerlicht habe, den Umgang mit Schuld und die Entstehung von Schuldgefühlen. „Oft urteilt man unvernünftig über sich selbst durch frühere Konditionierung“, erklärt der Psychologe.

Für die Frauen in Krefeld sei es nun wichtig, wieder ein grundlegendes Sicherheitsgefühl herzustellen. Zumal sie nun „öffentlich an den Pranger gestellt und von anderen beschuldigt werden“. Der Opferschutz durch die Polizei sei dabei der richtige Ansatz. Kopper schließt nicht aus, „dass die Frauen möglicherweise für die Bewältigung therapeutische Hilfe benötigen“.

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Was kann helfen, die Schuldgefühle zu verarbeiten?

Der Experte rät den mutmaßlichen Verursacherinnen, einen Realitätscheck durchzuführen und sich zu fragen, was zu dem Unglück geführt hat. Der Psychologe erklärt, dass wir dazu neigen, „sich selbst als alleinigen Verursacher“ zu sehen. Das setze allerdings voraus, dass „ich wusste, was passieren wird und nur ich es beeinflussen konnte“. Kopper rät, sich bewusst zu machen, dass ein Ereignis immer mehrere Gründe haben kann.

So hätten die drei Frauen, die die Himmelslaternen haben steigen lassen, die Laternen nicht mit einer Funkfernbedienung gezielt gelenkt, sondern es mussten nach Einschätzung von Kopper viele Faktoren zusammenkommen, die letztlich zu dem Unglück geführt haben: Eine Rolle spielten beispielsweise der Wind oder die Tatsache, dass eine der Laternen auf entzündbaren Boden gefallen sei. Kopper vergleicht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Himmelslaterne eine solche Katastrophe wie den Affenhausbrand in Krefeld auslöst, mit einem „Lottogewinn im negativen Sinne“. Der Traumatherapeut wertet die Tragödie ganz klar als „schreckliches Unglück“.

Wie können Betroffene akut mit dem Schuldstress umgehen?

Schuld bedeutet für unseren Körper Stress. Um in einer akut belastenden Situation mit diesem umzugehen, helfen laut Diplom-Psychologe Kopper Atemübungen. „Man kann diesen Schuldstress auf einer Skala bewerten, auf der null kein Stressempfinden ist und zehn ein sehr starkes Stressempfinden.“ Optimal sei es, wenn man sich möglichst häufig zwischen null und vier bewege.

Um in diesen Bereich zu gelangen, helfe eine konkrete Atemübung der britischen Navy-Seals: „Man zählt seinen Atem auf vier auf. Also einatmen und dann langsam bis vier zählen. Dann ausatmen und danach wieder langsam bis vier zählen. Und das macht man solange, bis die Erregung wieder erträglich ist“, so Kopper.

Um dauerhaft mit der Stresssituation umzugehen, sollte man eine weitere Atemübung anwenden. „Man zählt den Atem von eins bis neun und beginnt dann wieder bei eins“, erklärt der Traumatherapeut. „Diesen Turnus macht man zunächst fünf Minuten täglich und erhöht ihn dann schrittweise, bis man bei 20 bis 30 Minuten angekommen ist.“

„Dadurch trainiert der Betroffene den Bereich, der für die Hemmung von Stress und Erregung zuständig ist“, so Kopper. Wird diese Übung täglich wiederholt, festigt sich die Struktur und unser Gehirn erlernt Ruhe und Entspannung. Sollte die stressbedingte Erregung dennoch nicht zu bewältigen sein, empfiehlt der Experte therapeutische Hilfe aufzusuchen.