Foodwatch fordert schärfere Kontrollen
Nach Salmonellen-Skandal: Ex-Manager erhebt neue Vorwürfe gegen Ferrero

Bereits im Jahr 2019 hatte der Süßwarenhersteller Ferrero Probleme mit seinem Produkt Schoko-Bons, wie ein langjähriger Manager des italienischen Unternehmens dem „Spiegel“ berichtet. Währenddessen wirft die Verbraucherorganisation foodwatch Ferrero schwere Versäumnisse beim Krisenmanagement vor und fordert ein verbessertes Kontrollsystem.
Bereits 2019 hätte es Gesundheitsrisiken geben können
In einer Fabrik des Konzerns Ferrero in Belgien hatten sich Salmonellen verbreitet. Darüber informiert wurde jedoch äußerst zögerlich. Nachdem mehrere Erkrankungsfälle von Verbrauchern bekannt geworden waren, entzog die belgische Aufsichtsbehörde dem Werk in Belgien am 8. April die Produktionserlaubnis. Die Begründung: Ferrero habe nicht genügend Informationen bereitgestellt. Daraufhin wurden alle Produkte aus dem Werk zurückgerufen, darunter die Schokoladeneier „kinder-Überraschung“ und „Schoko-Bons“.
Nach Informationen des „Spiegel“ hätte sich ein ähnliches Szenario schon 2019 abspielen können: Wie ein langjähriger Manager, der 2019 das Unternehmen verlassen hatte, dem Magazin berichtet, habe Ferrero versucht, günstig in Indien für den dortigen Markt hergestellte „Schoko-Bons Crispy“ über Italien in ganz Europa zu verkaufen. Die ersten Chargen seien bereits in den europäischen Lagern angekommen gewesen, als staatliche Prüfer das indische Milchpulver jedoch beanstandeten. Auch hier hätte es Gesundheitsrisiken geben können.
Damals habe Ferrero jedoch „kalte Füße“ bekommen. Alles, was bereits ausgeliefert gewesen sei, sei noch in den Verkauf gekommen, der Rest sei vernichtet oder an die Belegschaft verteilt worden, so der Ex-Manager von Ferrero gegenüber „Spiegel“. Damals wie heute deutet alles auf große Schwächen im Krisenmanagement von Ferrero.
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Foodwatch fordert ein besseres Kontrollsystem
Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch wirft Ferrero schwere Versäumnisse beim Krisenmanagement vor. Der Süßwarenkonzern hätte die Behörden sofort über den Salmonellen-Ausbruch in seinem Werk in Belgien informieren müssen. Dann hätten Verbraucherinnen und Verbraucher schneller gewarnt werden können, kritisiert die Organisation. Foodwatch fordert Reformen im Kontrollsystem: Sowohl Lebensmittelhersteller als auch Behörden müssten per Gesetz dazu verpflichtet werden, Missstände immer sofort öffentlich zu machen.
Ferrero hatte erst Anfang April zugegeben, am 15. Dezember bei Eigenkontrollen in einem Werk in Belgien Salmonellen gefunden zu haben. Das hatte der Konzern damals aber nicht den Behörden gemeldet. Vielmehr wurde der Fall erst öffentlich, nachdem die Gesundheitsbehörden in Großbritannien auf ungewöhnlich viele Salmonellen-Fälle stießen und Nachforschungen anstellten.
Am 23. März konnten die britischen Behörden eine erste Verbindung zwischen den Fällen und Ferrero-Produkten herstellen und informierten darüber auch den Konzern. Das bestätigten die Behörden in Großbritannien gegenüber foodwatch. Trotzdem dauerte es dann noch einmal fast zwei Wochen, bis Ferrero Anfang April die Behörden in Belgien informierte und erste öffentliche Rückrufe startete.
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Viele Schwachstellen bei der Überprüfung
Der Fall zeigt aus Sicht von foodwatch das gleiche Muster wie fast alle Lebensmittelskandale:
Rückverfolgbarkeit funktioniert nicht:
Das EU-Lebensmittelrecht verpflichtet Hersteller dazu, ihre Produkte lückenlos entlang der Lieferkette zurückverfolgen zu können. In der Praxis funktioniert genau das oft nicht und es dauert zu lange, bis alle betroffenen Produkte identifiziert werden.
Reaktion statt Prävention:
Rückrufe erfolgen oft erst, wenn es bereits zu spät ist und die betroffenen Produkte bereits gekauft und oft auch konsumiert worden sind. Es dauert Tage, Wochen und manchmal sogar Monate bis zu einer öffentlichen Warnung.
Das Problem der Selbstkontrolle:
Das EU-Lebensmittelrecht verpflichtet Hersteller zu Selbstkontrollen, um die Sicherheit der Lebensmittel zu gewährleisten. Stellt ein Hersteller fest, dass ein Lebensmittel gesundheitsschädlich sein könnte, ist er verpflichtet, die zuständigen Behörden unverzüglich zu informieren. Aber: Ob und wie das passiert, ist häufig unklar. Wurden die Selbstkontrollen im Fall von Ferrero sorgfältig durchgeführt? Hat der Hersteller rechtzeitig auf das Gesundheitsrisiko hingewiesen? Wurden alle Informationen an die Behörden weitergegeben? Welche Maßnahmen haben die Behörden daraufhin ergriffen – oder auch nicht? Diese Fragen sind weiterhin offen.
Sanktionen schrecken nicht ab:
Lebensmittelskandale werden selten vor Gericht gebracht. Allzu oft kommen die Hersteller ungestraft oder mit geringfügigen Verwarnungen und relativ kleinen Geldstrafen davon. Aus Sicht von foodwatch braucht es ein wirksames Unternehmensstrafrecht und auch finanziell abschreckende Sanktionen. (nri)
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