Angebaggert, gedatet, bestohlenUrteil im Sugardaddy-Prozess: „Bunny“ lockte ältere, wohlhabende Männer in die Falle

Eine Gruppe junger Leute lockte Sugardaddys an und bestahl sie danach.
Eine Gruppe junger Leute lockte Sugardaddys an und bestahl sie danach.
RTL
von Rebekka Kaiser

Auf der Plattform „Mysugardaddy“ suchte eine 17-Jährige gemeinsam mit ihren drei Komplizen nach Opfern. Ihr Beuteschema: Älter und wohlhabend. Sie lockten die Männer mit der Aussicht auf ein Date an, um sie dann zu bestehlen. Heute ist am Landgericht Essen das Urteil gegen die vier Angeklagten gefallen. Sie sind angeklagt wegen Bandendiebstahl, Raub und gefährlicher Körperverletzung.

Sugardaddy erst ködern, dann bestehlen

Vor mehr als acht Monaten sollen die vier Angeklagten noch gut als Clique funktioniert haben, ein gemeinsames Ziel soll sie zusammengeschweißt haben: Schnelles Geld, um den Lebensstil zu verbessern. Auf der Anklagebank am Landgericht Essen sitzen aber nicht nur vier Menschen, deren Leben offenbar durch ihre kriminellen Aktivitäten auf seltsame Weise miteinander verwoben war – die Angeklagten sind auch zwei ehemalige Liebespaare: Alina M. (17, Name geändert) und Jahid D. (19) waren liiert und Ebru R. (22) war damals noch mit Denis P. (24) zusammen.

Von Gemeinschaftsgefühl oder gar Zuneigung, ist inzwischen nur noch wenig zu spüren. Als ihre Anwälte ihre Plädoyers vor der Urteilsverkündung sprechen, bemühen sie sich, ihre Mandant*innen eher als Mitläufer, denn als treibende Kraft erscheinen zu lassen. Stattdessen wird die noch minderjährige Alina M. (17) belastet, es heißt: Sie habe sich bei dem Portal angemeldet, sie habe zuvor dort angeblich schon „Sugardaddys“ getroffen und sie habe letztendlich die Idee gehabt, diese mit Dates zu ködern, um sie dann in einem günstigen Moment zu bestehlen.

Gruppe bedrohte einen Sugardaddy mit Messer und fesselte ihn

Bei den Treffen soll sich Alina M. dann „Celine“ und Ebru R. „Zoey“ genannt haben. Unter diesen Namen trafen sich die beiden Mädchen mit einem vermögenden Arzt in Bergisch-Gladbach. Während sie den älteren Herren mit lauter Musik ablenkten, sollen Jihad D. und Denis P. heimlich das Haus betreten und Luxus-Uhren, Schmuck und weitere Wertgegenstände gestohlen haben. Der Schaden soll bei mehreren zehntausend Euro liegen. Der Arzt gab vor Gericht auch an, dass ihn ein Brilliantring für mehr als 50.000 Euro geklaut worden sei. Allerdings fehlt es offenbar an Nachweisen zu dem Ring.

Während der Arzt ohne Verletzungen davon kam, ging es einem anderen Opfer der Gruppe offenbar schlechter: Einen Versicherungsvertreter soll die Gruppe bei einem ihrer „Dates“ brutal überfallen haben, um an Geld zu kommen. Nachdem Aline M. und Ebru R. den Mann mit einem Date angelockt hatten, sollen Jihad D. und Denis P. den Mann geschlagen, verletzt, mit einem Messer bedroht und anschließend an einen Stuhl gefesselt haben. Mit einer geringen Ausbeute von 80 Euro ließen sie ihr Opfer dann zurück. Der Versicherungsvertreter konnte sich selbst befreien. Das Gericht wies aber immer wieder darauf hin, dass der Raubüberfall bei ihm tiefe Spuren hinterlassen habe, er seitdem schlecht schlafe und sehr geräuschempfindlich sei. Insgesamt zockte die Gruppe mit dieser Masche drei „Sugardaddys“ ab, zwischen Mai und September erbeuteten sie so mehr als 80.000 Euro. Nach ihrem vierten Versuch, einen wohlhabenden Herren aus Koblenz auszunehmen, kam ihnen die Polizei auf die Spur.

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Angeklagte Ebru R.: Arzt erzählte uns von seinen Brust-OPs

Ob den Angeklagten das, was sie getan haben, leid tut – das ist wohl die Frage, die am schwersten zu beantworten ist. Obwohl Aline M. erst 17 Jahre alt ist, ist sie schon mehrfach wegen Betrugsdelikten aufgefallen. Auf Kleiderkreisel soll sie Fake-Inserate für angeblich gebrauchte Tommy Hilfiger-Klamotten reingestellt haben. Angeblich soll die Jugendliche die Kleidung, die sie auf der Plattform für gebrauchte Mode anbot, nie besessen, aber das Geld trotzdem kassiert haben. Auch Jihad D. und Denis P. sind der Polizei und Justiz mittlerweile gut bekannt. Die einzige Person in der Gruppe, die keine Vorstrafe hat, ist Ebru R. Vor der Kamera möchte die 22-Jährige nicht sprechen, sie war auf Kaution draußen. Vor dem Gerichtsgebäude in Essen raucht sie in der Verhandlungspause. Es ist kurz vor der Urteilsverkündung und Ebru R. wirkt etwas angespannt, sie hat „kein gutes Gefühl“.

Ebru R. ist gepflegt, hat ordentlich gemachte Nägel und die schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. Während der Atemzüge an ihrer Zigarette sagt sie, dass Denis P. ihr erster Freund gewesen sei und Aline M. angeblich die Idee zu allem gehabt habe. Auf die Frage, wie sie den Arzt denn zum Beispiel abgelenkt hätten, sagt Ebru, dass sie viel Musik gehört hätten und er ihnen von seinen Brust-OPs erzählt habe, wo man die Schnitte macht mit dem Skalpell. Er sei ja Chirurg oder so gewesen.

Kaum Sugardaddys als Nebenkläger

Ob bei den Treffen mit den Sugardaddy’s nur geredet, Musik gehört und über die perfekte Brust-OP gefachsimpelt worden ist, bleibt wohl unklar. Denn die Geschädigten sollen sich nicht gerade darum gerissen haben, als Nebenkläger im Prozess aufzutreten. So wie die Clique, hatten offenbar auch die älteren Herrschaften gewisse Geheimnisse – sich deutlich jüngere Frauen via Mausklick nach Hause zu bestellen will sicherlich diskret behandelt werden.

„Zuckerstückchen“ Aline M. kommt mit einer Bewährungsstrafe davon

Als das Urteil fiel, hatte Aline M. den Vorteil, dass sie noch minderjährig ist. Die 17-Jährige ist zu zwei Jahren Jugendhaft auf Bewährung verurteilt worden. Ebru R. hat drei Jahre Freiheitsstrafe bekommen, Jihad D. muss für drei Jahre und zehn Monate in Haft. Am härtesten ist der Älteste bestraft worden: Denis P. ist zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.

Der Richter sagte, die 17 Jahre alte Aline M. sei das „Zuckerstückchen“ gewesen, das wohlhabende Opfer gezielt im Netz angelockt habe. Als gar nicht so unschuldig, wie sie manchmal tut, bezeichnete der Richter Ebru R. Sie soll zum Teil geholfen haben, die älteren Männer zu beschäftigen und dann in einen günstigen Moment die Terrassentür geöffnet haben, um Jihad D. und Denis P. hereinzulassen, die in den Häusern der Opfer auf Diebestour gegangen sein sollen. Wenn sie mit den Männern zusammen saß, soll Ebru R. ihre aufgerauchten Zigaretten heimlich wieder in ihre Handtasche gesteckt haben – offenbar, um keine Spuren am Tatort zu hinterlassen. Das würde ein anderes Bild von Ebru R. zeichnen, sagte der Richter. Für die Verteilung der Beute sind laut Gericht die zwei Männer, Jihad D. und Denis P., zuständig gewesen, sie hätten Aline M. und Ebru R. unter anderem mit kostspieligen „Gucci-Taschen“ belohnt.

Bevor die Angeklagten sich erheben, erinnert der Richter noch daran, dass der Fall mit dem Versicherungsvertreter für sie glimpflich ausgegangen ist. Immerhin sei der ältere Mann an einem Stuhl gefesselt sich selbst überlassen worden nach dem Überfall. Der Versicherungsvertreter konnte sich selbst befreien – aber er hätte auch gefesselt und alleine in seinem Haus verdursten und verhungern können. Ob die Clique jemals darüber nachgedacht hat? Zurückgekehrt sein soll keiner von ihnen, nachdem sie das Haus des „Sugardaddys“ auf Wertgegenstände durchsucht und dann verlassen hatten.