Berliner Amtsgericht spricht zwei Beschuldigte frei

Urteil im Fall Dilan: Körperverletzung ja, Rassismus nur bedingt

von Franca Pörsch und Marc Chmiel

Endlich Gerechtigkeit für Dilan S.. Das Berliner Amtsgericht hat heute mehre Angeklagte schuldig gesprochen und zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die damals 17-Jährige wurde im vergangenen Jahr in einer Berliner Tram rassistisch beleidigt und anschließend auf dem Bahnsteig attackiert. Der Fall hatte viel Aufmerksamkeit bekommen, weil die Polizei fälschlicherweise gemeldet hatte, die damals 17-Jährige hätte keine Maske getragen und der Streit sei deshalb entbrannt. Auch der Richterin macht Dilan heute nach dem Prozess Vorwürfe.

Opfer leidet an psychischen Problemen

Dilan lächelt. Das ist nicht selbstverständlich. Die damals 17-Jährige leidet seit dem Vorfall am 5. Februar 2022 unter psychischen Problemen, noch immer kann sie nicht an den Tatort zurück. Doch vor der Urteilsverkündung am Donnerstag wirkt sie erleichtert und gelöst. Möglicherweise weil der Prozess endlich zu Ende kommt. Aber auch, wegen der Unterstützung die sie erfährt. Draußen haben sich Menschen mit Plakaten postiert, gegen Faschismus, gegen Rassismus.

Doch im Urteil der Richterin spielt Rassismus keine große Rolle. Jennifer G. wird wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt, Cornelia R. wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs Monaten. Heiko S. bekommt wegen Beihilfe sechs Monate auf Bewährung, Matthias St. erhält wegen Beleidigung und Beihilfe eine Geldstrafe. Zwei der Angeklagten werden komplett freigesprochen. Nur eine rassistische Aussage fließt in das Urteil ein, weil Jennifer G. zugab, sie könne nicht ausschließen „Kanackenvieh“ gesagt zu haben.

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Dilan macht Richterin Vorwürfe

Dabei war es gerade der möglicherweise runtergespielte Rassismus, der rund um den Vorfall so große Debatten verursacht hatte. Deshalb macht Dilan nach dem Urteil auch der Richterin Vorwürfe: „Es wird kleingeschwiegen auch hier bei Gericht. Rassismus gab es wohl nicht, laut der Richterin, dann frag ich mich auch, was muss man denn machen, dass man endlich mal sieht, dass hier Rassismus herrscht und dass das auch ein Angriff von Rassismus war.“

Gerichtssprecherin Lisa Jani erklärte dagegen, dass die Richterin sehr wohl rassistische Beleidigungen wahrgenommen habe, sie aber nicht zweifelsfrei zuzuordnen waren: „Wenn Beleidigungen aus einer Gruppe heraus getätigt werden, kann man das nicht automatisch allen Gruppenmitgliedern zurechnen“, erklärte Jani.

Dabei kritisierte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung auch Dilans Postings und Videos auf Instagram, „weil einige Zeuginnen und Zeugen sich nicht mehr sicher waren, was sie tatsächlich selbst wahrgenommen haben und was sie anschließend in den sozialen Netzwerken gelesen haben“, sagt Gerichtssprecherin Lisa Jani. Das habe sich sogar negativ auf das Urteil ausgewirkt.

Trotzdem war Dilan zufrieden, dass überhaupt Strafen ausgesprochen wurden: „Es wird nie eine richtige Strafe geben, weil sie so sind wie sie sind und weil sie das gemacht haben und ich psychisch damit immer noch leiden muss. Egal, ob sie eine Bewährungsstrafe haben oder nicht. Aber wie man so schön sagt, die Zeit heilt alle Wunden und ich hoffe, dass das bei mir auch bald der Fall sein wird.“