Ukraine-Krise: Russland lässt Muskeln spielen – Nato springt Kiew bei

Wenige Tage nach dem Umsturz in der Ukraine heizt Russland mit militärischen Muskelspielen die ohnehin gespannte Lage im Nachbarland auf. Kremlchef Wladimir Putin ordnete eine Überprüfung der Gefechtsbereitschaft der russischen Streitkräfte an. Betroffen seien 150.000 Soldaten verschiedener Waffengattungen, gab Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu bekannt. Das habe aber nichts mit den Ereignissen in der Ukraine zu tun, vielmehr gehe es um die Bereitschaft für Krisenlagen sowie bei militärischer Bedrohung.
Die Nato konterte umgehend, sie unterstütze die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine. Eine "souveräne, unabhängige und stabile Ukraine, die der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet ist", sei von entscheidender Bedeutung für die euro-atlantische Sicherheit, unterstrichen die Verteidigungsminister der 28 Nato-Staaten in einer Erklärung. Die Nato stehe bereit, um die Ukraine bei der Umsetzung von Reformen zu unterstützen.
US-Außenminister John Kerry warnte Russland vor einer militärischen Intervention in der Ukraine. Eine Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wäre ein schwerwiegender Fehler, sagte Kerry. Russland habe sich wiederholt gegen ausländische Militärinterventionen etwa in Libyen oder Syrien ausgesprochen. Jetzt solle sich das Land an die eigenen Mahnungen halten.
Unterdessen wurde bekannt, dass der frühere Parlamentschef Arseni Jazenjuk nach dem Machtwechsel in der Ukraine Interims-Regierungschef der früheren Sowjetrepublik werden soll. Das schlug der sogenannte Maidan-Rat der Demonstranten am Unabhängigkeitsplatz in Kiew vor. Dem Rat gehören Schlüsselfiguren der Protestbewegung in der Ukraine an. Dem Vorschlag muss das Parlament an diesem Donnerstag noch zustimmen.
Halbinsel Krim im Fokus
Beobachter sahen in der Ankündigung Moskaus, die Einsatzbereitschaft des Militärs zu prüfen, vor allem ein Säbelrasseln - und keine Drohung der Russen gegen das "Brudervolk". Gleichwohl sitzen die Ängste bei vielen in der Ukraine tief, dass Russland auch sein Militär einsetzen könnte, um etwa eine Abspaltung russischsprachiger Gebiete im Osten und Süden zu unterstützen - ganz zu schweigen von der Krim, die viele Russen als ihr Territorium ansehen.
Auf der Halbinsel, auf der mehrheitlich Russen leben, ließ Schoigu Schritte einleiten, um die russische Schwarzmeerflotte besser vor möglichen Übergriffen bewaffneter radikaler Nationalisten zu schützen. In der Krim-Hauptstadt Simferopol kam es zu Gewalt zwischen antirussischen Demonstranten und moskautreuen Einwohnern. In Sewastopol, dem Stützpunkt der Schwarzmeerflotte, richteten moskautreue Kräfte Grenzposten ein. Dort übernahm nach einer Straßenabstimmung der Russe Alexander Tschalyi das Bürgermeisteramt.
Der russische Minister Schoigu sagte, geprüft werde die Bereitschaft von etwa 150.000 Soldaten verschiedener Waffengattungen, von 90 Flugzeugen und 120 Hubschraubern sowie von bis zu 880 Panzern, 1.200 Einheiten Militärtechnik und 90 Schiffen. "Alle Panzer werden schießen, alle Flugzeuge werden im Kampfmodus fliegen." Zudem sei eine Übung von Fallschirmspringern geplant. Alles stehe in Einklang mit internationalen Verträgen, versicherte der Minister.
Angesichts der russischen Truppenaktivitäten betonte die Nato das Recht der neuen Machthaber in Kiew, frei über die eigene Zukunft zu entscheiden. "Wir gehen davon aus, dass alle Staaten die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine respektieren. Und wir haben dies allen, die es betrifft, deutlich gemacht", sagte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mahnte, keine Konfrontation aufzubauen. "Es wird keine Lösung ohne Russland geben." EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle drang auf eine Reform der ukrainischen Verfassung bis September. Dies sei ein wesentliches Element für eine Lösung der politischen Krise.
Die Wahl eines regulären neuen Präsidenten ist am 25. Mai geplant. Oppositionspolitiker Klitschko hat seine Kandidatur bereits angekündigt. Ob die aus der Haft entlassene Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ebenfalls kandidiert, ist offen. Timoschenko will sich im März wegen eines Bandscheibenvorfalls in Berlin behandeln lassen.