Tausendfacher Kindesmissbrauch auf Campingplatz im Kreis Lippe

Missbrauch auf Campingplatz: Jugendamt vertraute Pflegekind einem Pädophilen an!

Eine Mutter schöpfte Verdacht

Mindestens 23 Kinder sind auf einem Campingplatz in Lügde in Nordrhein-Westfalen für den Dreh von Kinderpornos sexuell missbraucht worden. Nun wurde bekannt: Ein Opfer war offenbar ein Pflegekind, das bei einem der Vergewaltiger lebte. Im Video weist das zuständige Jugendamt in dem Fall jede Schuld von sich.

Kleines Mädchen ist jetzt "in guten Händen"

"Wir hätten uns sehr gewünscht, dass es uns schon früher gelungen wäre, Risse in der Fassade zu erkennen", heißt es in einer Stellungnahme des Jugendamtes Hameln-Pyrmont. "Als wir dann von diesem schlimmen Verdacht erfuhren, haben wir sofort gehandelt." Das Mädchen sei nun in einer "sehr erfahrenen" Pflegefamilie untergebracht und "in guten Händen". Es werde "einen Platz in einer geeigneten Einrichtung bekommen".

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Jugendämter

Doch wie kann es überhaupt sein, dass das kleine Kind einem alleinstehenden Mann, der zudem auch noch auf einem Campinplatz lebt, anvertraut wurde? Das Jugendamt betont, dass es offenbar die Entscheidung der Mutter des Mädchens war, "ihr Kind, das dort bereits gelegentlich untergebracht war, dauerhaft bei dem Mann unterzubringen". Nach einer Prüfung durch den Landkreis sei die Pflegschaft im Januar 2017 anerkannt worden. Weder der Gesundheitszustand, die finanzielle Lage, noch das erweiterte Führungszeugnis des Mannes hätten dabei Grund zur Beanstandung gegeben. Laut Angaben des Jugendamtes habe es zu keinem Zeitpunkt "konkrete Hinweise auf seelische oder sexuelle Auffälligkeiten oder Übergriffe" gegeben.

"Die Wohnsituation war sicherlich nicht optimal", räumte die Behörde ein. Doch die funktionierende soziale Bindung sei in dem Fall höher bewertet worden. Die Wohnunterkunft entspreche immerhin einem "winterfesten Wochenendhaus, bestehend aus mehreren Räumen mit Waschmöglichkeit, Küche und einem eigenen Schlafbereich für das Kind, das in gutem Pflegezustand und auch aufgeräumt vorgefunden wurde." Der Pflegevater sei auf dem Campingplatz beliebt gewesen.

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Mitarbeiter haben "umsichtig und richtig gehandelt"

"Entscheidend war die gute Bindung des Kindes zu dem Pflegevater, sein Einsatz für das Kind und erkennbare deutliche Verbesserungen des Entwicklungszustandes des Kindes", so das Jugendamt. Am Ende habe eine Mutter den entscheidenden Hinweis geliefert. "Wir sind sehr dankbar, dass hier eine verantwortungsvolle Mutter ein mögliches pädophiles Verhalten angezeigt hat."

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Jugendämter des Kreises Lippe und des Landkreises Hameln-Pyrmont. "Wir überprüfen, ob die Behörden Fehler gemacht haben", sagte der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter. Das Jugendamt beteuert: "Nach unseren Erkenntnissen sind wir davon überzeugt, dass die Mitarbeitenden umsichtig und richtig gehandelt haben."

Es geht um mehr als 1.000 Einzeltaten

Drei tatverdächtige Deutsche sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Ein 56-Jähriger aus Lügde und ein 33-Jähriger aus Steinheim bei Höxter sollen nach Erkenntnissen der Ermittler die Kinder im Wechsel gefilmt und missbraucht haben, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Der dritte Tatverdächtige, ein 48-Jähriger aus Stade in Niedersachsen, soll als Auftraggeber fungiert haben. Gegen alle drei ermitteln die Behörden unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Es gehe um mehr als 1.000 Einzeltaten, sagte der Leiter der Ermittlungskommission Camping, Gunnar Weiß. Hauptverdächtig ist der 56-Jährige. Nach Angaben der Ermittler hat der 48-Jährige ein Teilgeständnis abgelegt. Die beiden anderen Männer schweigen bislang.

Die Opfer seien 4 bis 13 Jahre alt und kommen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Zwei achtjährige Jungen sind darunter. Die Ermittler gehen davon aus, dass es noch weitere Opfer gebe. "Wir haben noch einen Haufen Arbeit vor uns", sagte Weiß. Die Taten sollen sich demnach in einem Zeitraum von zehn Jahren auf dem Campingplatz ereignet haben. 13.000 gesicherte Kinderpornodateien seien dem Bundeskriminalamt übergeben worden. Das Datenvolumen betrage 14 Terabyte. Das ganze Ausmaß der Taten sei erst im Laufe der Ermittlungen nach und nach deutlich geworden, sagte Achim Tietz, Leiter des zuständigen Kommissariats.

Die sichergestellten Kinderpornos seien allerdings nur zum Teil von den Tatverdächtigen erstellt worden. Bei einem Datenabgleich durch das Bundeskriminalamt sei auch bereits bekanntes Material gefunden worden. Der Hauptverdächtige und der 33-Jährige sollen sich laut Polizei im Internet in einschlägigen Chats im sogenannten Darknet, einem verborgenen Teil des Internets, kennengelernt und zu den Taten auf dem Campingplatz verabredet haben. Dort stellte die Kripo die Ausrüstung für die Dreharbeiten sicher. Der Missbrauch von Kindern auf dem Campingplatz nahe der Grenze zu Niedersachsen reicht nach Angaben der Ermittler bis in das Jahr 2008 zurück. Nach der Festnahme im Dezember haben sich Opfer aus dieser Zeit bei der Polizei gemeldet.