Wenn Frauen zu „Bumpaholics“ werdenSüchtig nach Schwangerschaften: Was steckt dahinter?

Smiling pregnant woman sitting on bed, Laechelnde schwangere Frau, die auf dem Bett sitzt | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Schwanger zu sein ist aufregend, schön und anstrengend - für manche Frauen ist es der Idealzustand.

Schwanger zu werden, ein Kind im Bauch heranwachsen zu spüren und schließlich zur Welt zu bringen: Für jede Frau ist diese Zeit eine total individuelle Erfahrung, sowohl körperlich als auch seelisch. Manche genießen sie so sehr, dass sie gar nicht genug davon bekommen können – etwa Jools Oliver (45). Sie hat mit ihrem Mann, dem Starkoch Jamie Oliver (44), bereits fünf Kinder. Und trotz den fünf Fehlgeburten, die sie in ihrem Leben bereits durchstehen musste, sagt sie: „Ich möchte so lange weitermachen, bis ich nicht mehr kann.“
Warum werden Frauen süchtig danach, Babys zu bekommen? Und ab wann nehmen sie selbst oder die Kinder dadurch Schaden? Wir haben mit Familienberaterin Ruth Marquardt darüber gesprochen.

„Fließband-Schwangerschaft“ als Flucht vor sich selbst

Für Frauen, die nicht mehr auf das Gefühl, schwanger zu sein, verzichten können, wurde inzwischen eine Bezeichnung geprägt: „Bumpaholics“ – ein Mix aus dem englischen „bump“ für „Babybauch“ und „alcoholics“ (Alkoholiker). Aber ist ein Kinderwunsch, der nie endet, wirklich so schlimm?

„Schwangerschafts-Sucht ist eine Sucht und auch als solche zu behandeln“, stellt Marquardt klar. „Für mich deutet das Schwangerwerden wie am Fließband darauf hin, dass eine Identitätsstörung vorliegt. Sucht bedeutet meist: Ich suche etwas, das in mir selbst fehlt. Wer bin ich? Was macht mich aus? Schwangerwerden wird in diesem Fall offenbar zu einer Flucht - solange ich schwanger bin, muss ich mich mit meinem eigenen inneren Mangel nicht auseinandersetzen.“

Im Video: Schwanger kurz nach der Geburt - wie lange sollten Frauen warten?

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Warum wird Schwangersein zur Droge?

„Es ist etwas Besonderes zu erfahren, wie es ist, Leben schenken zu können. Diese Frauen genießen die Aufmerksamkeit innerhalb der Schwangerschaft und den engen Kontakt zum Kind. Insbesondere das Streicheln des Babybauches, das Erspüren des neuen Lebens, diese tiefe innere Verbindung kann extreme Glücksgefühle auslösen, die diese Frauen nicht mehr missen wollen,“ so Marquardt.

Neben diesem emotionalen „High“ spielt laut der Familienberaterin außerdem Kontrolle eine große Rolle: „Ich kann meine Welt kontrollieren, indem ich schwanger bin. Meine Gefühle, die ansonsten an die Oberfläche kommen würden.“

Baby greift den Zeigefinger der Mutter | Baby grabbing mothers index finger
Geht es wirklich um das neue Kind - oder vor allem um das Gefühl, schwanger zu sein?

Seelische Gefahr für Mutter und Kind

Wenn der Kinderwunsch zur Sucht wird, kann das schädliche Folgen haben – nicht nur für die Frau und ihren Partner, sondern insbesondere für die Kleinen. „Das Kind selbst scheint völlig aus dem Fokus zu geraten. Es geht um das eigene Wohl. Schwanger sein um der Schwangerschaft willen ist aus meiner Sicht ein Ego-Trip, bei dem die Kinder keinerlei Rolle spielen“, so Marquardts klare Meinung. Sie mahnt: „Kinder dürfen kein Mittel zum Zweck sein. Kinder sind schützenswerte Wesen, für deren Wohl wir als Erwachsene Verantwortung übernehmen sollten.“

Auch für das Wohl der Frau selbst ist ein Leben als „Bumpaholic“ gefährlich: „Wenn diese ‚Sucht‘ nach den durch die Schwangerschaft ausgelösten Gefühlen nicht reflektiert wird, wenn diese Frauen nicht ergründen, was das eigentliche Bedürfnis hinter diesen Gefühlen des Glücks ist, kann ein großer Absturz folgen. Denn klar ist: Die fruchtbare Phase geht zu Ende. Der Entzug setzt ein, die Droge ist nicht mehr verfügbar. Was kommt dann?“

Wie gefährlich es für den Körper einer Frau sein kann, ein Kind nach dem anderen zu gebären, erklärt eine Gynäkologin hier.

Wie finden Frauen wieder aus der Schwangerschafts-Sucht heraus?

Für betroffene Frauen ist laut Marquardt ein erster wichtiger Schritt, sich selbst zu hinterfragen: „Was ist mein ‚Gefühls-Gewinn‘ in den Schwangerschaften? Welches Gefühl vermisse ich in meinem Leben, wenn ich nicht schwanger bin? Woher kenne ich das? Wie könnte ich das, was ich an Zuneigung, Aufmerksamkeit oder Liebe vermisst habe oder vermisse, auf andere Weise bekommen?“ Denn das Vermissen dieser besonderen Bindungsgefühle habe häufig damit zu tun, dass wir selbst als Kind einen Mangel an Liebe, Bindung oder Zuneigung erfahren haben, so die Expertin.

Marquardt empfiehlt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen: „Eine Therapie kann hier gute Unterstützung bieten. Der Vorteil liegt darin, sich selbst besser kennen zu lernen, selbst die Verantwortung für die eigenen Gefühle und das eigene Leben zu übernehmen und auch regulieren zu können.“ Somit müsse die Schwangerschaft nicht als Ersatzmittel dienen.

Diese Verantwortung sei nicht nur für das Leben der Frauen notwendig, sondern auch das der Kinder: „Es ist wichtig, nicht aus einem Impuls oder einem vermissten Gefühl heraus zu handeln, sodass die Kinder liebevoll und mit einem Gefühl starker Wurzeln aufwachsen können,“ betont Marquardt.