99 Millionen plötzlich verschwunden

Skandal um Commerzialbank in Österreich: Ex-Chef soll 156 Millionen in Plastiksäcken aus Bank getragen haben

Die Commerzialbank Mattersburg ist pleite.
Die Commerzialbank Mattersburg ist pleite, die Finanzmarktaufsicht (FMA) hatte den Betrieb Mitte Juli letzten Jahres untersagt, am 28. Juli 2020 war das Konkursverfahren eröffnet worden.
deutsche presse agentur

Was sich offenbar über Jahre bei der Commerzialbank Mattersburg in Österreich abgespielt haben soll, klingt wie der Plot einer schlechten Finanz-Krimiserie. Kredite und Bankeinlagen seien frei erfunden worden, Bilanzen gefälscht. Der Ex-Chef des Geldinstituts soll über einen längeren Zeitraum hinweg Bargeld in Plastiksäcke verpackt aus der Bank geschafft haben – insgesamt 156 Millionen Euro. 99 Millionen Euro sind nach wie vor verschwunden und werden gesucht.

Flossen Millionen schwarz an den SV Mattersburg?

Die Commerzialbank Mattersburg ist pleite, die Finanzmarktaufsicht (FMA) hatte den Betrieb Mitte Juli letzten Jahres untersagt, am 28. Juli 2020 war das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Zahlen muten gigantisch an. Von der Schließung betroffen waren rund 10.000 Sparer, die von der Einlagensicherung Entschädigungen erhielten. Insgesamt 469 Gläubiger fordern 813 Millionen Euro von der Bank.

Über Jahre oder sogar Jahrzehnte soll Ex-Chef Martin Pucher Bilanzen etwa mit frei erfundenen Guthaben bei anderen Banken sowie fiktiven Krediten geschönt haben, um Verluste zu verschleiern. 156 Millionen Euro habe er gar in bar aus der Bank getragen. Der Insolvenzverwalter ist nach Angaben des „ORF“ mit Juristen und ehemaligen Mitarbeitern der Bank auf der Suche nach dem Geld. Zwei Drittel der Summe – also insgesamt 99 Millionen Euro – seien verschwunden. Das entwendete Geld könne schwarz an den Fußballverein SV Mattersburg geflossen sein, dessen Hauptsponsor die Commerzialbank Mattersburg war, so der „ORF“. Der Verein hatte nach dem Kollaps des Geldgebers Mitte August Konkurs angemeldet.

Auch zwölf weitere Unternehmen waren in Folge der Commerzialbank-Pleite in die Knie gegangen, wie der Insolvenzverwalter laut „ORF“ im Dezember 2020 verkündete. Darunter ein Malerbetrieb und eine Dachdeckerei aus der Region. Beide Unternehmen würden durch Beteiligungen des Bundeslandes Burgenland unterstützt.

Anwalt: Pucher wurde Opfer seiner Eitelkeit

Sein Anwalt glaubt nicht, dass Pucher sich persönlich bereicherte, vielmehr sei er Opfer seiner Eitelkeit geworden. Der heute 63-Jährige war Präsident des insolventen Vereins SVM und zwischen 2006 bis 2009 Präsident der österreichischen Bundesliga. Dort und in der Region habe er durch sein Wirken viel Anerkennung erfahren. „Letztendlich war es ihm sicherlich auch wichtig, wertgeschätzt zu werden. Die Wertschätzung war etwas, das wahrscheinlich ursächlich war für die ganze Situation“, sagte Norbert Wess im Interview mit dem „ORF Burgenland“. Sein Mandant sei voll geständig und nehme die Verantwortung für die Bilanzfälschungen auf sich.

Der Millionenbetrug habe schon vor fast 30 Jahren begonnen, so Wess. Pucher habe seit 1992 – damals noch als Raiffeisendirektor – in betrügerischer Weise gehandelt. „Spätestens 2000 war die Bank wohl insolvent“, sagte der Anwalt in der ORF-Sendung „ZiB2“

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„Das System hätte schon viel früher auffliegen können"

Die Masche, mit der der heute 64-Jährige Commerzialbank-Guthaben bei anderen Banken fälschte, um Wirtschaftsprüfer und FMA zu täuschen, war nach Darstellung der Zeitung „Kurier“ recht simpel. So seien zunächst die Namen der Sachbearbeiter der anderen Bank recherchiert worden. Dann sei der Brief mit der falschen Bankbestätigung über das Guthaben am Ort der anderen Bank eingeworfen worden. „Mit dem Poststempel wollte man Authentizität schaffen“, schreibt das Blatt.

„Das System hätte schon viel früher auffliegen können, wenn die Wirtschaftsprüfer oder auch die FMA die Bankbestätigungen direkt bei den betreffenden Banken eingeholt hätten“, sagte Anwalt Wess der Zeitung.

Pucher gesundheitlich schwer angeschlagen

Ein Untersuchungsausschuss soll nun Licht ins Dunkel bringen. Puchers Stellvertreterin Franziska Klikovits wurde laut „ORF Burgenland“ bereits zwei Mal befragt, Pucher selbst erschien nicht. Er ist nach Schlaganfällen gesundheitlich schwer angeschlagen. Psychisch und physisch gehe es ihm „sehr schlecht“, sagte Wess. Der Untersuchungsausschuss soll Mitte Januar fortgesetzt werden. Am Ende werde Pucher wohl angeklagt, doch bis zum Prozess werde es wohl noch Jahre dauern, sagte der Anwalt im „ORF“-Interview.