Zeuge belastet Betriebsleiter Gabriele T.

Seilbahn-Katastrophe von Italien: Jetzt schieben sich alle gegenseitig die Schuld zu

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Die Aufarbeitung der Seilbahn-Katastrophe am Lago Maggiore mit 14 Toten geht weiter.
APTN

Die Aufarbeitung der Seilbahn-Katastrophe am Lago Maggiore mit 14 Toten geht weiter. Jetzt schieben sich die drei Beschuldigten gegenseitig die Schuld zu. Unter Druck ist dabei vor allem einer: Betriebsleiter Gabriele T.! Wie auch Gondel-Chef Luigi N. und Ingenieur Enrico P. kam der 63-Jährige zwar aus dem Gefängnis frei, steht aber im Gegensatz zu den anderen beiden Verdächtigen unter Hausarrest. Die zuständige Richterin hält seine Aussagen nicht für glaubwürdig – und ein Zeuge macht dem Mann schwere Vorwürfe.

Alle gegen alle

Gabriele T. hatte italienischen Medienberichten zufolge im Verhör gestanden, die Bremsen an der schon länger defekten Gondel mehrmals deaktiviert zu haben, um den Betrieb der Bahn nicht zu gefährden. Über diesen Schritt seien alle eingeweiht gewesen, behauptet er – und alle seien sich einig gewesen, dass die Bahn weiter fahren soll.

Gondel-Chef Luigi N. dagegen sagte aus, er verstehe nichts vom Thema Seilbahn-Sicherheit. Dies sei Aufgabe von Gabriele T. und Ingenieur Enrico P. Doch von dem manipulierten Notbremsen-System will Enrico P. nichts wissen. Er behauptet, der Chef habe angeordnet, den Bremsmechanismus außer Kraft zu setzen und Gabriele T. habe dies umgesetzt. Keiner will es gewesen sein, im Zweifel sind die anderen schuld.

Das Gericht dagegen zweifelt am Wahrheitsgehalt von Gabriele T.s Aussage, die offenbar in den Vernehmungen nicht bestätigt werden konnte. Italienischen Medienberichten zufolge sagte Richterin Donatella Banci Bonamici, der Betriebsleiter versuche gezielt, die anderen beiden Beschuldigten zu belasten, um nicht allein für die Katastrophe verantwortlich zu sein. Die Staatsanwaltschaft dagegen ist der Ansicht, dass alle drei Beschuldigten von den Problemen gewusst hätten, diese aber aus Profitgier ignoriert hätten.

Gabriele T. soll Notbremse schon am 26. April manipuliert haben

Betriebsleiter Gabriele T. hat gestanden, die Notbremse der Seilbahn manipuliert zu haben.
Betriebsleiter Gabriele T. hat gestanden, die Notbremse der Seilbahn manipuliert zu haben.
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Auch ein Zeuge macht dem Betriebsleiter schwere Vorwürfe: Gabriele T. habe schon am 26. April 2021 angeordnet, die Notbremsen mit der Metallgabel zu blockieren, berichtet „La Stampa“. Damals wurde die Seilbahn für die Zeit nach Corona überholt.

Der Mann habe sich darin erinnert, dass sogar schon 2012 über die Gefahr, für die Seilbahn zu arbeiten, gesprochen wurde und ihm von Gabriele T. gesagt wurde, es sei ja nie etwas passiert –„Dass ein Seil reißt, da braucht es einiges“, habe ihm der Betriebsleiter gesagt. Das habe ihn „beeindruckt, denn einen Monat später musste ich 38 Menschen aus einer blockierten Kabine holen“, zitiert die Zeitung den Zeugen. Gondel-Chef Nerini habe dagegen „nur zugehört, was Gabriele T. ihm erzählt hat.“

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Alle drei Männer bleiben angeklagt

Es sind noch viele Fragen offen. Doch wie Staatsanwältin Olimpia Bossi betont: Die Ermittlungen stehen erst ganz am Anfang. Alle drei Männer bleiben angeklagt wegen Tötung in vierzehn Fällen, schwerer Körperverletzung im Fall des einzigen Überlebenden – dem fünfjährigen Eitan, der bei der Katastrophe seine Eltern verlor – und wegen Fälschung und Entfernung einer Sicherheitsvorrichtung.

Eitan (5) noch immer auf Intensivstation

HANDOUT - 24.05.2021, Italien, Stresa: Retter arbeiten am Wrack einer abgestürzten Gondel, die in einem Waldstück liegt. Beim Absturz einer Gondel einer Seilbahn am norditalienischen Lago Maggiore haben mindestens 14 Menschen ihr Leben verloren. Foto: Uncredited/Vigili del Fuoco Firefighters/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits. Verwendung nur bis zum 06.06.2021. +++ dpa-Bildfunk +++
Bei Seilbahnunglück in Italien starben 14 Menschen
vco, dpa, Uncredited

Die Seilbahn-Gondel, die die Stadt Stresa am Lago Maggiore mit dem nahe gelegenen Berg Mottarone verbindet, war am Pfingstsonntag abgestürzt. Nach bisherigem Ermittlungsstand riss kurz vor der Ankunft an der gut 1.300 Meter über dem Meer gelegenen Bergstation aus bisher unbekannter Ursache das Zugseil. In diesem Fall hätte eine Notbremse greifen müssen, was nicht geschah. Die Gondel raste mit hoher Geschwindigkeit an den Tragseilen zurück Richtung Tal, knallte an einen Seilbahn-Pfeiler und überschlug sich mehrfach. Bei dem Vorfall kamen 14 Menschen ums Leben, nur der kleine Eitan überlebte. Der fünfjährige Junge liegt noch immer auf der Intensivstation des Regina-Margherita-Krankenhauses in Turin. Er ist mittlerweile aus dem Koma erwacht und fragt nach seinen Eltern.

Die italienische Region Piemont hat unterdessen einen Trauertag für die Opfer der Katastrophe ausgerufen. Regionalpräsident Alberto Cirio rief die Bevölkerung in einem Erlass dazu auf, am Sonntag um 12 Uhr eine Schweigeminute einzulegen. „Eine Woche nach dem, was am Morgen des 23. Mai passiert ist, ist das Piemont einmal mehr ganz nahe bei den Familien der Opfer der Tragödie, die unser Gebiet erschüttert hat.“

(mst)