Psychologin gibt Tipps in ihrem Buch „Selbst.Zufrieden“
Schluss mit "People Pleasing": Wie Sie endlich aufhören, es allen recht zu machen

Ihr bester Freund will mit Ihnen ins Kino und vergisst sein Portemonnaie? Kein Problem, Sie zahlen schließlich gerne. Ihre Familie will zum Essen vorbeikommen, dabei haben Sie eigentlich gar keine Zeit? Nicht schlimm, irgendwie wird es schon klappen – schließlich ist es ja so toll, alle endlich wieder zu sehen. Ihre beste Freundin will mit Ihnen feiern gehen, obwohl Sie eigentlich gar keinen Bock haben? Irgendwie sind Sie ihr das ja schuldig, nachdem Sie die letzten Male abgesagt haben.
Sie finden sich in einer solchen – oder ähnlichen – Situation wieder? Dann ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass sie ein „People Pleaser“ sind. Jemand der stets darauf bedacht ist, es allen Menschen Recht machen zu wollen. Falls Sie selbst nicht so sind, könnte es gut sein, dass Sie einen solchen „People Pleaser“ in Ihrem näheren Umfeld haben.
Sind Sie ein "People Pleaser"?
„Nein“ zu sagen fällt Ihnen selbst bei Ihren engsten Freunden schwer, Sie entschuldigen sich, obwohl noch gar nichts passiert ist, weil es schließlich so ein tolles Gefühl, andere Leute zu beglücken, anderen zu gefallen und für andere da zu sein? In gewisser Weise sind dies durchaus positive Eigenschaften, von denen sich der ein oder andere eine Scheibe abschneiden könnte. Schließlich sind all das Dinge, die uns als Gesellschaft augenscheinlich besser machen könnten.
Doch es gibt ein Problem: Was ist mit dem eigenen Selbst? Bleibt das nicht auf der Strecke, wenn man sich nur noch um andere kümmert? Dem ist die britische Psychologin Emma Reed Turrell in ihrem neuen Buch „Selbst.Zufrieden“, das ab sofort erhältlich ist, auf den Grund gegangen. Spoiler vorab: Die Autorin ist selbst ein „People Pleaser“. Beziehungsweise sie war es: „Wandlungsfähig wie ein Chamäleon verstand ich mich jeder Situation anzupassen und meine Beglückungskünste einzusetzen, um den Menschen das zu geben, was sie sich wünschten.“ Schnell bemerkt sie jedoch: Diese „Es-allen-recht-machen“-Haltung hinderte sie „an einem authentischen Leben.“ Sie wurde sogar krank, wie sie bereits auf den ersten Seiten ihres neuen Werks erzählt.
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Eigentlich haben wir "nur" Angst, andere Menschen zu verlieren - doch wir verlieren uns selbst

Aber was genau hat es mit dem „People Pleasing“ eigentlich auf sich? Wo kommt es her und warum verhalten wir uns so? Wollen wir wirklich einfach nur aufmerksam, rücksichtsvoll, selbstlos oder nett sein? Das erklärt die gelernte Psychotherapeutin ebenfalls, denn: Eigentlich steckt dahinter „der Wunsch, die Reaktionen der anderen zu lenken und das Unbehagen zu vermeiden, das ein eventuelles Missfallen in uns wecken würde.“ Denn an oberster Stelle steht für den „People Pleaser“ nun mal: Ich möchte Leuten gefallen. Ablehnung oder Enttäuschung wird als lähmend empfunden. Noch besser: „Gebraucht zu werden fühlt sich beinahe genauso an wie geliebt zu werden.“
Laut Turrell tun wir es, weil wir Angst haben, Menschen zu verlieren. Doch „im vergeblichen Versuch, sie zufriedenzustellen, verlieren wir uns selbst.“ Dieses Problem sei jedoch kein Charakterfehler, der uns zu weniger liebenswerten Wesen macht, sondern ein Ergebnis unserer Konditionierung. Wir sind so aufgewachsen und sozialisiert worden, haben gelernt uns anzupassen und zu funktionieren. Aber: „Gemocht oder gebraucht zu werden ist nichts wert, wenn wir uns dabei komplett selbst aufopfern. Irgendwann müssen wir uns alle entscheiden: ob wir es anderen recht machen oder ob wir authentische Menschen sein wollen.“
Die vier verschiedenen "Pleasing"-Typen
Die Autorin unterscheidet dabei zwischen vier verschiedenen Typen des „People Pleasers“. Sie „alle haben dasselbe Problem verkörpert: die Unfähigkeit, sich so, wie man ist, gut genug zu fühlen.“
Der klassische „People Pleaser“: Sie sind stolz auf ihre Fähigkeit, Dinge auf die Reihe zu kriegen. Sie existieren, um das Leben anderer leichter zu machen und haben quasi das eigene Selbstwertgefühl durch das der anderen ersetzt.
Der Schatten: Sie verbringen ihr Leben im Dienste anderer; jeder, die im Licht stehen und scheinbar wichtiger sind und die Aufmerksamkeit eher verdient haben als sie selbst. Sie machen sich kleiner und den anderen größer, um die beste Nummer zwei zu der Nummer eins zu sein.
Der Beschwichtiger: Sie agieren nach dem Motto „Bloß nicht unangenehm auffallen“ und sind in der Lage, angespannte Situationen zu retten und menschliche Zusammenarbeit zu erleichtern. Das Boot irgendwie ins Wanken bringen? Kommt für sie nicht in Frage!
Der Verweigerer: Auch sie sind „People Pleaser“ – aber nur im Untergrund, denn sie selbst würden sich nie als solchen bezeichnen. Sie vermeiden Nähe in Beziehungen, halten ihre Partner auf Abstand und verbergen ihre Schwachstellen hinter einer Persönlichkeit, die eine dicke Haut hat. Ihre Gefühle haben sie stets in die hinterste Ecke verbannt.
Nicht immer sei eine strikte Trennung möglich, so Turrell: „Verschiedene Kombinationen von Umweltfaktoren führen zu unterschiedlichen Mischungen bei den Pleasing-Profilen, die sich im Lauf der Zeit verändern und weiterentwickeln können.“ Es könnte also durchaus sein, dass Sie sich nicht nur in einem der Profile wiederfinden – sondern gleich in mehreren.
Aber keine Angst: Dass wir Menschen gefallen wollen, lernen wir bereits in jungen Jahren.
Es anderen Recht zu machen, erlernen wir bereits als Babys und in unserer Kindheit
„Schon ein winziges Baby weiß, dass es diese Liebe für sein Überleben braucht, und die Evolution hat ihm eine Superkraft gewährt: die Macht, zu gefallen“, erklärt die Autorin. Wenn ein Säugling Sie in Zukunft anlächelt, dann nicht, weil er wirklich gut drauf und glücklich ist, sondern weil er gelernt hat, dass sein Handeln eine schöne Reaktion bei Ihnen auslöst.
Weiter geht’s dann wenn wir größer und zu Kindern geworden sind: „Als Kinder lernen wir sowohl aus dem, was unsere Eltern tun, als auch aus dem, was sie uns sagen; Kinder saugen Anerkennung förmlich in sich auf. (...) Und je mehr du fürs Lustig- oder Nettsein, für Großzügigkeit oder Geduld gelobt wurdest, umso mehr hast du wohl solche Situationen aufgesucht, umso mehr wurden sie Teil deiner Identität.“ Und – kommt Ihnen das zufällig bekannt vor?
Wir wollen unsere Eltern beglücken wenn wir klein sind, „allerdings sind wir nicht dazu geschaffen, unsere Eltern für immer zu erfreuen.“ Irgendwann, wenn wir erwachsen sind, „müssen wir Erwartungen der Vergangenheit aus heutiger Perspektive überprüfen, um darüber nachzudenken und sie neu zu verstehen.“ Eine elterliche Stimme im Kopf zu haben sei per se nichts Schlechtes, weil sie dafür verantwortlich ist, unseren moralischen Kompass richtig auszurichten – doch für immer können wir damit nicht leben. Wir müssen lernen, „sowohl ausgewogene als auch angemessene Entscheidungen zu treffen“, denn das „ist ein Grundpfeiler unserer Fähigkeit, uns selbst zufriedenzustellen.“
Auch wenn dies einen „People Pleaser“ vor eine große Herausforderung stellt. Aber für jeden, der es hören muss, hält die Autorin einige wichtige Worte bereit: „Nicht gemocht zu werden ist zwar unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich.“
"Du hast dich verändert"

Emma Reed Turrell beleuchtet in ihrem Buch „People Pleaser“ unter anderem in Freundschaften und in Beziehungen. Bei Freundschaften zum Beispiel sei es okay, Leute auch einfach abzuschreiben. „Nicht, weil sie uns nichts bedeuten, sondern weil sie uns nicht zu schätzen wissen. (...) Es ist okay, sich zu häuten und über Freundschaften hinauszuwachsen.“ Denn: Eine zwischenmenschliche Beziehung – egal ob Freundschaft oder Partnerschaft – funktioniert nur, wenn man auf Augenhöhe miteinander umgehen kann. „Wenn sie dir sagen, dass ‘du dich verändert hast’, weißt du, dass sie eigentlich meinen: ‘Mir passt es nicht, dass es nicht mehr nach meinem Willen geht.’“ Wenn Sie so etwas schon einmal gehört haben sollten, denken Sie einfach daran, „dass Reaktionen von Menschen oft mehr über ihre Beziehung zu sich selbst aussagen, als dass sie ein legitimes Urteil über uns abgeben können.“
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Es geht um Pleasing am Arbeitsplatz, in der Elternrolle, bei besonderen Anlässen – zum Beispiel wenn Sie mal wieder das Weihnachtsessen ausrichten und alles perfekt sein muss –, im Internet, als Frau und schließlich um Pleasing und Männlichkeit. Außerdem erklärt die Psychologin: Was lösen „People Pleaser“ eigentlich bei ihrem Gegenüber aus? Vorab sei gesagt: Das Es-allen-recht-machen-wollen „ist eine egoistische Handlung, mit einer selbstlosen Schleife garniert, und eine todsichere Methode, um Leuten auf den Sack zu gehen.“
Sich selbst in den Vordergrund zu rücken ist gut!
Wenn Sie beim Lesen mehrmals dachten: „Hilfe, die Autorin spricht mir aus der Seele“, dann könnte „Selbst.Zufrieden“ Ihnen zukünftig dabei helfen, Ihren inneren „People Pleaser“ loszuwerden – ganz ohne schlechtes Gewissen. Denn in Wahrheit kann diese Angewohnheit „niemanden glücklich machen.“ Damit wir uns selbst zufriedenstellen können, müssen wir Verantwortung für all unsere Gefühle übernehmen. Das Sich-selbst-Zufriedenstellen bedeutet aber wahrlich nicht, „Ich zuerst“ – „sondern einfach nur ‘Ich auch’.“
Empathisch zu sein ist eine besondere Gabe. „Doch wenn du es allen recht machen willst, wirfst du deine Liebe und Empathie unterschiedslos allen vor, auch denen, die sie niemals schätzen werden, nicht schätzen können“, so Turrell. Und die Wahrheit ist: Wir sind gut genug. Wir sind es immer gewesen. „Daher, um unserer aller willen: Stell.Dich.Selbst.Zufrieden.“