Frustriert statt engagiert

Politiker schmeißt hin: "Wir sind durchseucht von Bürokratie"

Sören Weinberg war Moorreges CDU-Fraktionsvorsitzender. Jetzt hat er alle Ämter aufgegeben.
Sören Weinberg war Moorreges CDU-Fraktionsvorsitzender. Jetzt hat er alle Ämter aufgegeben.
RTL Nord
von Stefanie Läufer und Rafael Fleischmann

Wenn selbst Politiker bei dem ganzen Papierkram nicht mehr durchblicken – wer soll es dann?
Sören Weinberg aus Moorrege kommt aus einer politisch engagierten Familie, sein Opa und Vater waren schon Bürgermeister, er selbst ist seit Jahrzehnten politisch aktiv. Doch jetzt ist Schluss! Der CDU-Fraktionsvorsitzende fühlt sich von der Bürokratie in Deutschland erschlagen.
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Zu viel Papierkram, zu wenig Ergebnisse

„Es macht wenig Spaß“, erzählt Sören Weinberg im RTL Nord-Interview ernüchtert. 15 bis 20 Stunden die Woche arbeitete er ehrenamltich als CDU-Fraktionsvorsitzender, zusätzlich zu seinem Job als Malermeister, 20 Jahre lang. Seine Gemeinde Moorrege in Schleswig-Holstein liegt ihm am Herzen, trotzdem gibt er sein Ehrenamt jetzt auf. „Ich habe keine Lust mich in meiner Freizeit an diesem Bürokratie-Monster abzuarbeiten.“

Aufgaben gibt es in der kleinen Gemeinde genug, unter anderem müssen die Grundschulen dringend umgebaut werden, um eine Ganztagsbetreuung zu ermöglichen – das ist ab 2026 Pflicht. Doch von der Landesregierung fühlt sich Weinberg im Stich gelassen: „Wir planen Umbauten, Anbauten seit längerer Zeit. Wir gehen in Vorleistungen. Die Kosten werden uns vom Land gedeckelt. Wir haben 5000 Euro pro geschaffenen Platz. Das ist zu wenig.“

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Minister für Digitalisierung: "Das erfüllt mich mit Sorge"

Dirk Schrödter ist Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein und Minister für Digitalisierung – auch er spricht von einer ausufernden Bürokratie: „Das erfüllt mich mit Sorge und deshalb müssen wir auch diese überbordende Bürokratie abbauen. Wir müssen Bürokratie, die überflüssig ist, zurückschneiden und so schneller in der Verwaltung werden und so den Glauben an die Funktionsfähigkeit unseres Staates (...) auch bei solchen Politikern wiedergewinnen.“

Politikwissenschafter Wilhelm Kneelangen von der Uni Kiel sieht sogar die Demokratie gefährdet, wenn immer mehr Kommunalpolitiker an den Bedingungen verzweifeln: „Wenn es dazu kommen sollte, dass wir keine Menschen mehr haben, die das ehrenamtlich begleiten (..) und das bedeutet, dass nicht mehr demokratisch entschieden wird.“

Rücktritt soll Landesregierung wachrütteln

Für seinen Nachfolger wünscht sich Sören Weinberg weniger Bürokratie und mehr Freiheit. Sein Rücktritt soll auch ein Alarmsignal an die Landesregierung sein: Wenn die bürokratischen Hürden weiter so groß sind, könnten sich schon bald weitere Gemeindevertreter seinem Weg anschließen.