Google stuft ihn als Pädophilen ein

USA: Vater machte für Kinderarzt Fotos von angeschwollenem Penis seines kleinen Sohnes

ARCHIV - Ein Stethoskop und Kinderspielzeug liegen am 23.08.2016 in einer Kinderarztpraxis in Berlin Spandau auf einem Tisch.  (zu dpa «Ein Jahr Kinderarzt-Bereitschaft: Erfolgsmodell oder Reinfall?» vom 16.10.2017) Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Kinderarztpraxis
ped fdt rho, dpa, Britta Pedersen

An einem Freitagabend im Jahr 2021 bemerken Mark und seine Frau aus San Francisco, dass der Penis seines Sohnes angeschwollen ist. Der kleine Junge sagt außerdem, dass er Schmerzen hat. Die Mutter ruft daraufhin den Notdienst der Kinderarztpraxis an. Diese bitten die Eltern Fotos davon zu machen und anschließend auf deren Seite hochzuladen. Das aber hatte im Nachhinein schlimme Konsequenzen für den Familienvater.

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Wegen Pandemie: Arzt bat um Foto, um Ferndiagnose zu erstellen

Mark und seine Frau haben sich laut „The New York Times“ nichts dabei gedacht, der Bitte des Arztes während der Corona-Pandemie nachzukommen. Die Mutter des Jungen schnappte sich das Handy ihres Mannes und machte Nahaufnahmen vom geschwollenen Penis ihres Sohnes.

So habe der Doktor eine Ferndiagnose erstellen und ein Antibiotikum verschreiben können. Danach sei der Junge schnell genesen. Niemand habe sich weiter Gedanken gemacht. Doch nur zwei Tage später seien plötzlich alle Accounts des Vaters komplett gesperrt worden.

Mark habe eine Meldung erhalten, bei der es geheißen haben soll: „Ihr Konto wurde wegen schädlicher Inhalte deaktiviert. Diese stellen einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Richtlinien von Google dar und sind möglicherweise illegal“. Mögliche Gründe seien „sexueller Missbrauch und Ausbeutung von Kindern“. Der Vater sei geschockt gewesen, habe sich zunächst nicht erklären können, wie es zu einer solchen Beschuldigung kommen konnte. Doch dann sei das böse Erwachen gekommen. Denn, die Polizei ermittelte bereits gegen den Familienvater.

Familienvater gerät wegen Nacktfoto des Sohnes ins Visier der Polizei

Fabian Sommer
Pädophilen soll mit neuesten Technologien das Handwerk gelegt werden
deutsche presse agentur

Mark war in einem algorithmischen System aufgepoppt, das eigentlich darauf abzielt, Menschen zu entlarven, die sich Material von sexuellem Missbrauch von Kindern zusenden. Technologieunternehmen erfassen dabei routinemäßig Daten, um kriminelles Verhalten aufzudecken und zu verhindern. Kinderschützer befürworten dieses Vorgehen.

Sie sagen, dass die Zusammenarbeit mit solchen Unternehmen unerlässlich ist, um die Online-Verbreitung von Bildern sexuellen Missbrauchs zu bekämpfen. Aber dies könne natürlich, wie ja auch in diesem Fall, dazu führen, dass private Archive wie digitale Fotoalben eingesehen werden können. Auch Unschuldige könnten so fälschlicherweise ins Visier der Ermittler geraten.

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Polizei glaubte Mark aus San Francisco, Google nicht

Mark steckte also in einem ernsten Dilemma, per Post erhielt der Familienvater von der Polizeibehörde von San Francisco ein Schreiben, dass gegen ihn ermittelt werde, sowie die Kopie eines Durchsuchungsbefehls. Ein Ermittler, hatte alles in Marks Google-Konto abgefragt: seine Internetsuchen, seinen Standortverlauf, seine Nachrichten und alle Dokumente, Fotos und Bilder, die er gespeichert hatte.

Die Polizei ermittelte daraufhin, glaubte dem Familienvater aber letztendlich. Die Anzeige sei fallen gelassen worden, heißt es im Bericht. Aber Google speicherte Mark weiter als Kriminellen ab, er komme also bis heute nicht mehr an seine Daten ran. Fotos vom ersten Lebensjahr seines Sohnes, Termine, Kontakte, E-Mails – alles sei gesperrt worden.

Durch diese Technologie soll Pädophilen das Handwerk gelegt werden

In einer Erklärung soll Google mitgeteilt haben: „Materialien zum sexuellen Missbrauch von Kindern sind abscheulich und wir setzen uns dafür ein, die Verbreitung auf unseren Plattformen zu verhindern.“ Mark habe sich bei Google beschwert, doch die antworteten, dass das Konto nicht wiederhergestellt werden würde, ohne weitere Erklärungen.

Im Jahr 2021 reichte allein Google über 600.000 Meldungen über Kindesmissbrauchsmaterial ein und sperrte daraufhin die Konten von über 270.000 Nutzern. Microsoft brachte im Jahr 2009 „PhotoDNA“ raus. Dieses System nutzen beispielsweise Facebook und weitere Technologieunternehmen, um Benutzer auszurotten, die illegale Bilder verbreiteten.

Es war damals ein großer Durchbruch, aber ein noch größerer Durchbruch gelang, als fast ein Jahrzehnt später, im Jahr 2018, Google ein künstlich intelligentes Tool entwickelte, das nie zuvor gesehene illegale Bilder von Kindern erkannt werden konnten. Das bedeutete, dass man von fortan in der Lage war, auch Fotos von missbrauchten Kindern zu finden, von denen noch gar nicht bekannt war, dass sie Opfer wurden. Die so nun eine Chance hatten, von den Behörden gerettet werden zu könnten. Google stellte diese neue Technologie später auch anderen Unternehmen zur Verfügung, unter anderem Facebook.

Expertin befürwortet die Verwendung solcher Systeme, um weitere Opfer zu finden

Die Fotos von Mark landeten also automatisch auf den Servern von Google und wurden dort gekennzeichnet. Kritiker dieser Technologie meinen, dass sie in die „Privatsphäre“ eingreife.

Jon Callas von der EFF sagte der „The New York Times“, dass ein solches Scannen eines Familienfotoalbums auf dem persönlichen Gerät einer Person ein „Alptraum“ sei. „Sie scannen mein Familienalbum und dann bekomme ich Ärger.“

Fallon McNulty, verwalte die sogenannte „CyberTipline“. Das ist eine gemeinnützige Organisation, die gemeldetes Missbrauchsmaterial überprüfe. Es gäbe 40 Analysten bei ihnen, die das gemeldete Material untersuche und für die Strafverfolgung priorisiere. Im vergangenen Jahr habe ihre Organisation 29,3 Millionen Meldungen erhalten, heißt es.

Fallon McNulty sagte, dass sie es als erstaunliche Fähigkeit von Google betrachte, diese Bilder zu erkennen, es sei „ein Beispiel dafür, dass das System so funktioniert, wie es sollte“. Im Jahr 2021 berichtete die „CyberTipline“, bei der Missbrauchsfälle gemeldet werden können, dass sie die Behörden auf „über 4.260 potenzielle neue Kinderopfer“ aufmerksam gemacht habe.

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Expertin: Ärzten sei nicht bewusst, welche Konsequenzen für Eltern drohen

Carissa Byrne Hessick Rechtsprofessorin an der University of North Carolina schreibt über Kinderpornografie-Verbrechen. Sie sagte, laut dem Bericht, dass natürlich nicht alle Fotos von nackten Kindern pornographisch, ausbeuterisch oder missbräuchlich seien. Aber sie habe in diesem Fall Verständnis dafür gehabt, dass das System die Bilder als solche eingestuft hatte. Es habe sich um Fotos von Genitalien eines Kindes gehandelt. Aber der Kontext zähle natürlich. Sie wurden von einem Elternteil aufgenommen, das sich Sorgen um das kranke Kind machte.

Dr. Suzanne Haney, Vorsitzende des „Council on Child Abuse and Neglect der American Academy of Pediatrics“, riet Eltern davon ab, Fotos von den Genitalien ihrer Kinder zu machen, selbst wenn dies von einem Arzt angeordnet wurde. „Das Letzte, was Sie wollen, ist, dass sich ein Kind an jemanden gewöhnt, der seine Genitalien fotografiert“, so Dr. Haney weiter. „Wenn es unbedingt sein muss, vermeiden Sie das Hochladen in die Cloud und löschen Sie sie sofort.“

Sie sagte, die meisten Ärzte seien sich wahrscheinlich der Risiken nicht bewusst, die es mit sich bringt, Eltern zu bitten, solche Fotos zu machen. „Ich beglückwünsche Google für das, was sie tun“, sagte Dr. Haney über die Bemühungen des Unternehmens, Missbrauch zu bekämpfen. „Wir haben ein schreckliches Problem. Leider war es in diesem Fall mit Eltern verbunden, die versuchten, ihrem Kind zu helfen.“

USA: Vater hofft immer noch, dass er seine Daten zurückbekommt

Mark habe noch immer Hoffnung, dass er seine Daten zurückbekommen kann. Die Polizei von San Francisco hat den Inhalt seines Google-Kontos auf einem USB-Stick gespeichert. Mark versucht nun, eine Kopie zu bekommen. Ein Polizeisprecher sagte, die Abteilung sei bereit, ihm zu helfen. (mca)