Russland-Talk bei Anne Will
„Deutschland muss aus dem Dornröschenschlaf erwachen“
Für den Botschafter der Ukraine in Deutschland ist die Lage klar: „Wir müssen erkennen, dass wir kurz vor einem riesigen Krieg in Europa stehen“, sagt Andrij Melnyk bei „Anne Will“.
Am Sonntagabend dreht sich in der ARD-Talkrunde alles um die Frage, wie die Bundesregierung auf die Eskalation im Krisengebiet mit mehr als 100.000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine reagieren sollte.
Melnyk fordert abermals deutlich Waffenlieferungen: „Die Bundesregierung muss aus dem Dornröschenschlaf erwachen“ und endlich „den Ernst der Lage erkennen“.
Darüber wurde gesprochen
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bekräftigt: „Deutschland steht eng an der Seite des ukrainischen Volkes“, Olaf Scholz und Annalena Baerbock hätten sich da „glasklar“ geäußert. Aber: „Es gibt keine Waffenlieferungen in Krisengebiete.“ Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion fügt hinzu: „Sollte Putin wirklich vorhaben, die Ukraine anzugreifen, würden ihn Waffen nicht abschrecken.“ Es gebe ein Dissens über die Frage: „Was schreckt mehr ab?“, so das Grünen-Urgestein. Während NATO-Partner Kriegsgerät an Kiew liefern und die USA tausende Soldaten nach Europa entsenden, sind die beiden Politiker davon überzeugt, wirtschaftliche und politische Sanktionen würden Moskau eher von einer Invasion abhalten.
Für den Blick von außen sorgt die amerikanisch-polnische Historikerin und Journalistin Anne Applebaum. „Wer die Ukraine bewaffnet, ist für den Frieden“, sagt sie und kritisiert die „Unentschlossenheit“ Deutschlands. Die Ukraine müsse eine Chance auf Selbstverteidigung erhalten und der Preis, den Russland im Falle einer Invasion zu zahlen hätte, müsse angehoben werden. Außerdem, so Applebaum, verkaufe die Bundesregierung ja auch Waffen an Regime, die an Kriegen teilnähmen. Hintergrund: Deutschland stemmt sich zwar gegen Waffenlieferungen nach Kiew, ist weltweit aber der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt und genehmigt etwa Rüstungsexporte nach Ägypten, obwohl sich Kairo in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen schuldig machte und am Krieg im Jemen und in Libyen teilnahm.
Die Gäste und ihre wichtigsten Aussagen
Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland:
„Wir müssen erkennen, dass wir kurz vor einem riesigen Krieg in Europa stehen.“
„Die Bundesregierung muss aus dem Dornröschenschlaf erwachen“ und endlich „den Ernst der Lage erkennen“.
„Deutschland steht am Scheideweg. Es geht um Frieden oder Krieg, es gibt keinen Zwischenweg.“
„Wir sind eine leichte Beute für Putin“
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert:
„Es gibt keine Waffenlieferungen in Krisengebiete.“
„Deutschland steht eng an der Seite des ukrainischen Volkes.“
Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion:
„Sollte Putin wirklich vorhaben, die Ukraine anzugreifen, würden ihn Waffen nicht abschrecken.“
Historikerin und Journalistin Anne Applebaum:
„Wer die Ukraine bewaffnet, ist für den Frieden.“
„Deutschland nutzt die Ausrede der Geschichte, wenn es gerade passt.“
Das Dritte Reich hat „die Ukraine von der Landkarte entfernt.“
Das Fazit
Zwar bestätigt Trittin gegenüber Anne Will, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an einem Rüstungsexportkontrollgesetz noch für dieses Jahr arbeite, aber die Bundesregierung sitzt in Sachen Ukraine-Krieg in einer Zwickmühle. In den USA vermisse man vor allem ein Zeichen aus Berlin, dass man eine Invasion Russlands nicht in Kauf nehmen würde, sagt Applebaum. Auch in der Ukraine, berichtet ARD-Korrespondentin Ina Ruck aus Kiew, sehne man sich nach einem Symbol dafür, dass Deutschland „auf der richtigen Seite steht“.
Was Russland wirklich mehr abschreckt, Waffen oder wirtschaftliche und politische Sanktionen, bleibt natürlich auch nach der ARD-Talkrunde unbeantwortet. Das Symbol für Demokratie, die Staatsform, die Putin ebenso fürchtet wie hasst, für Europa und gegen Aggression muss Olaf Scholz nun in den USA, in der Ukraine und in Russland senden.
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