Russische Muskelspiele auf der Krim: Alles nur "humanitäre Hilfe"?
Der russische Präsident Wladimir Putin hat erklärt, die Gewalt in der Ukraine dürfe nicht weiter eskalieren. Dies habe er bei Telefongesprächen mit Vertretern von Großbritannien, Deutschland der Europäischen Union deutlich gemacht, teilt das Präsidialamt in Moskau mit. Dennoch bleibt die Lage brenzlig und die Frage im Raum, was Russland plant.

Die UdSSR zerfiel 1991. Nicht einmal 25 Jahre später leben noch immer etwa 17 Millionen Russen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und zirka sechs Millionen in weiteren Staaten. Auch sind noch immer russische Soldaten in den Ex-Sowjetrepubliken stationiert.
Noch immer verstehen viele Russen die Ukraine als "Brudervolk, weil man eine gemeinsame Geschichte und auch heute enge Verbindungen hat", sagt Susan Stewart, stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dass mehr als acht Millionen Menschen in der Ukraine Russisch als Muttersprache sprechen, ist ein weiteres verbindendes Element. Daher ist Kreml-Chef Wladimir Putin im eigenen Land unter erheblichem Druck, sich für die russischen Landsleute vor allem im Osten der Ukraine einzusetzen.
Das tut er jetzt. Er wies die Regierung an einer Bitte der südukrainischen pro-russischen Krim-Region um humanitäre Hilfe nachkommen. Und auch die auf der Krim lebenden Russen selbst setzen sich zur Wehr – zusätzlich zu der Tatsache, dass die Autonome Republik Krim für den 25. Mai ein Referendum über ihre Zukunft angesetzt hat.
In der Nacht waren etwa 50 bewaffnete und uniformierte Männer in Geländewagen ohne Kennzeichen sowie mit russischen Fahnen auf dem Krim-Flughafen Simferopol aufmarschiert. Sie zogen sich jedoch nach kurzer Zeit wieder zurück, haben allerdings Kontrollpunkte auf den Zufahrtsstraßen eingerichtet. Schutz, humanitäre Hilfe oder steckt mehr dahinter?
Berichte über russische Truppenbewegungen
Der ukrainische Grenzschutz berichtete, der russische Raketenkreuzer 'Iwanowez' blockiere die Krim-Bucht von Balaklawa im Südwesten. Zehn Militärhubschrauber seien zum Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte nahe der Stadt Sewastopol geflogen - nur drei von ihnen aber seien offiziell angemeldet gewesen.
Der Sender Radio Liberty berichtete, Hunderte russische Soldaten seien als Verstärkung in Sewastopol eingetroffen. Russisches Militärgerät soll auf der Straße nach Simferopol unterwegs sein. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow sprach von "bewaffneter Invasion und Besatzung", von "Provokation". Das russische Außenministerium erklärte, dass es sich bei den Vorgängen auf der Krim um einen innenpolitischen Prozess handele.
Diese Sichtweise erklärt sich aus der sogenannten Putin-Doktrin zum Schutz der Auslandsrussen aus dem Jahr 2003. Sie ist eine Reaktion auf den schwindenden russischen Einfluss in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Russland bemüht sich seither, diese Staaten in politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten weiter zu beeinflussen. Erweitert wurde die Möglichkeit zum Eingreifen im Ausland durch die neue Militärdoktrin aus dem Jahr 2010. Danach können Streitkräfte zum Schutz russischer Bürger auch im Ausland eingesetzt werden.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Moskau in anderen Ländern mit dem Hinweis auf den nötigen Schutz der Russen aktiv wird: So weist die jetzige Situation nach Ansicht Stewarts Parallelen zum Eingreifen des russischen Militärs im Georgien-Konflikt 2008 auf. Auch damals wurde die Intervention zugunsten der abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien mit dem Schutz der dort lebenden Russen begründet.
Der entmachtete Präsident Viktor Janukowitsch hatte seinen Verbündeten Russland explizit zum Eingreifen aufgefordert. Die Regierung in Moskau müsse alles tun, um die Krise zu beenden, sagte der flüchtige Ex-Staatschef. Der 63-Jährige meldete sich in der russischen Stadt Rostow erstmals seit seiner Absetzung vor einer Woche wieder zu Wort. Er sei verwundert, dass sich der russische Präsident Wladimir Putin noch nicht öffentlich zu den jüngsten Entwicklungen geäußert habe.
"Russland kann die Entwicklung nicht egal sein, es kann nicht an der Seitenlinie stehen und unbeteiligt das Schicksal eines so engen Partners wie der Ukraine verfolgen", kritisierte Janukowitsch. "Russland muss alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um das Chaos und den Terror zu beenden." Er werde Putin aber nicht um militärischen Beistand bitten. Seine Heimat habe er wegen zahlreicher Drohungen verlassen müssen, betonte Janukowitsch, der in der Ukraine wegen Massenmordes an mehr als 100 Menschen während der Straßenkämpfe der vergangenen Wochen gesucht wird.
Der gestürzte Präsident wies eine Verantwortung für das Blutvergießen auf den Straßen und dem zentralen Unabhängigkeitsplatz (Maidan) zurück. Er habe der Polizei keinen Schießbefehl gegeben. Janukowitsch betonte, er sei rechtmäßiger Präsident des Landes und wolle weiter um sein Land kämpfen. Was auf der Krim geschehe, sei eine "natürliche Reaktion" auf die Machtergreifung durch "Banditen" in Kiew, sagte Janukowitsch.