Tierischer Naturschutz
Rheinlandtour mit einem Wanderschäfer – Tiere auf der Heimreise
Viele Schäfer haben einen Stall und feste Grundstücke, auf denen sie ihre Tiere halten. Es gibt aber auch Schäfer, die das ganze Jahr mit den Tieren unterwegs sind. Sogenannte Wanderschäfer. Einer von ihnen ist Johannes Bois. Er war den Sommer über rund um Königswinter unterwegs.
Vom Verkauf auf die Weide
Johannes Bois ist seit gut anderthalb Jahren Wanderschäfer. Ursprünglich hat er als Automobilkaufmann gearbeitet und zuletzt zwei Autohäuser geleitet. Der 32-Jährige hat sich aber schon als Kind für Schafe interessiert, jetzt lenkt er seine eigene Herde: „Das ist ein Teil der Familie. Und man ist gerne mit denen unterwegs. Und das macht man 365 Tage im Jahr. Das ist keine Sache, wo man sagt, ich fange um 9:00 Uhr an und gehe um 17:00 Uhr nach Hause. Samstag, Sonntag habe ich frei. Wenn man sich dazu entschließt, das zu machen, dann jeden Tag in der Woche und hat jeden Tag mit Herzblut."
Schäferei ist Naturschutz
Als Wanderschäfer betreibt Johannes Bois Landschaftspflege. Dafür zieht er mit seinen Schafen und Ziegen von Fläche zu Fläche und beweidet sie. Heißt im Klartext: 350 tierische Rasenmäher sind am Werk. Gerade an schwierig erreichbaren Orten wie dem Oberkassler Steinbruch die einzige Möglichkeit. Denn an den steinigen Hängen wären Mensch und Technik tatsächlich machtlos. Die mampfende Herde frisst sich den Weg frei – das ist Naturschutz: „Wenn wir hier nichts machen würden, dann wäre das in gut drei Jahren wäre das hier so ‚verbuscht‘, dass hier gar kein Lebensraum mehr ist. Das ist dann relativ schnell. Ist das dann ein Wald und da fehlen dann halt die Offenlandschaften für die Eidechsen, für die Schmetterlinge. Hier oben brütet der Uhu. Das macht er ja nicht, weil es da schön ist, sondern weil auch das Futterangebot hier stimmt, was er hier findet. Und das ist, wenn das zugewachsen ist und ein reines Waldgebiet ist, ist die Fläche tot", so Schäfer Johannes Bois.
Weidenschäfer sind keine Top-Verdiener
Die tierische Landschaftspflege ist ein Geben und Nehmen. Im Idealfall bekommt der Schäfer die Flächen kostenlos zur Verfügung gestellt und die Herde frisst sich dafür satt. Manchmal pachtet Johannes Bois gewisse Gebiete aber auch, zahlt also fürs Beweiden. Geld verdient der 32-Jährige über die Bundes- und Landesförderung der Schäferei. Zusätzlich gibt es Prämien, wenn er bestimmte Flächen abgrast. Reich wird Johannes Bois als Wanderschäfer nicht, sagt er – darum geht's ihm aber auch nicht: „Ich sage immer, wenn man mit dem Herz bei der Sache ist, ist das so ein Heimatgefühl. Man fühlt sich am wohlsten mit den Tieren. Wenn man da morgens aufwacht und guckt aus dem Fenster, vom Wohnwagen oder Wohnmobil. Das gibt einem natürlich ganz viel", so der Vater eines Zwölfjährigen.
Schweres Jahr für den Schäfer
Im April kommt der 32-Jährige in Königswinter an. Damals besteht seine Herde noch aus gut 600 Tieren – mit der Fähre geht es über den Rhein. Im Trockenen sind seine Schäfchen aber nicht wirklich: Im Juli erkranken viele Tiere an der Blauzungenkrankheit. Ein für den Menschen ungefährliches Virus, das von Mücken übertragen wird. Es befällt vor allem die Schleimhäute, die Zunge schwillt an und färbt sich bläulich. Nur zwei Wochen vor Ausbruch der Seuche lässt Bois seine Herde impfen, trotzdem verendet fast die Hälfte der Tiere: „Da leidet man schon sehr stark mit. Das nimmt man mit nach Hause. Da denkt man gerade jetzt im Zuge der Blauzungensituation, wo wir für die Tiere einfach nichts machen konnten. Wir konnten sie unterstützen mit Medikamenten, aber wir konnten denen das Leid nicht nehmen und das macht viel mit einem. Also das ist eine psychische Belastung. Dann kommt das Finanzielle logischerweise mit dazu. Das ist also dieses Jahr ein ganz, ganz schweres Jahr und das ist auch ein Jahr, wo viele wahrscheinlich ans Aufhören denken und auch einige Betriebe die Tore schließen werden", so Johannes Bois.
Heimweg über den Rhein
Auch Johannes Bois weiß noch nicht, wie es weitergeht, als er sich am Wochenende auf den Weg zurück in seine rheinland-pfälzische Heimat macht. Die Blauzungenkrankheit scheint sich auch auf die Fruchtbarkeit der Tiere auszuwirken. Eigentlich verdient der 32-Jährige in den Wintermonaten Geld mit der Zucht. Jetzt geht es aber primär darum, die eigene Herde wieder aufzustocken. Die muss dafür aber erstmal wieder über den Rhein. Ein Spektakel, das in den frühen Morgenstunden freiwillige Helfer anzieht. Michael Dreisvogt war schon häufiger dabei: „Mein Sohn hat große Freude an Schafen. Da habe ich gesagt, besuchen wir doch mal die Schafe. Und da ich selbst auch mit Schafen aufgewachsen bin, war das natürlich eine große Freude. Und daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt. Und wir unterstützen den Johannes auch zu ungewöhnlichen Tageszeiten“, sagt der 52-Jährige. Sonntagmorgen um 06:00 Uhr. Auch sein neunjähriger Sohn Lennard ist mit Begeisterung dabei: „Mir gefällt's halt und ich habe ein bisschen Angst, dass sie da nicht mit der Bahn so aufpassen.“ Damit liegt der neunjährige Hobbyhirte goldrichtig: In den dunklen Morgenstunden in Königwinter ergibt Schäfchenzählen keinen Sinn, hier achten alle nur auf potenzielle Ausbrecher. Knapp anderthalb Kilometer später sind alle Schafe sicher auf der Fähre – Herdentrieb sei Dank. Aufatmen bei Wanderschäfer Johannes: „Ein schönes Gefühl, wieder nach Hause zu kommen. Schon. Auch wenn man mit einem weinenden Auge geht. Und wenn man das jetzt sieht, was auf der Fähre steht und was früher draufstand, tut das schon weh. Dass man mit viel weniger Tieren nach Hause reist, als wir hingereist sind. Das ist natürlich nicht unser Vorhaben, was wir eigentlich haben. Aber trotzdem freut man sich, nach Hause zu kommen", so der Schäfer. Das heißt für die Schafe in der Nähe des Zuhauses von Johannes Bois zu weiden. Einen Stall haben die Tiere nicht. Trotzdem trabt die Herde hier entspannteren Zeiten entgegen. Zuhause wird auf flachen Weiden gegrast. Auf die andere Rheinseite geht es – wenn alles passt – im Frühjahr wieder.