Prozess vor dem Ende: Anklage fordert Haftstrafe für Hoeneß
Die Spannung ist riesengroß – heute soll Uli Hoeneß erfahren, ob er wegen Hinterziehung von 27,2 Millionen Euro Steuern ins Gefängnis muss oder nicht. Die Anklage beantragte in ihrem Plädoyer wie erwartet eine hohe Haftstrafe für den 62-Jährigen. Die Verteidigung will einen Freispruch – oder wenigstens Bewährung.

Das Urteil des Landgerichts München wird in Kürze erwartet.
Fünf Jahre und sechs Monate Gefängnis für Hoeneß forderte Staatsanwalt Achim von Engel. Es handele sich um einen besonders schweren Fall von Steuerhinterziehung, so von Engel. "Eine wirksame Selbstanzeige, die die Verfolgung verhindern würde, liegt nicht vor." Eine Selbstanzeige müsse zumindest so viele Angaben erhalten wie eine Steuererklärung. "Das ist bis heute nicht der Fall", betonte der Staatsanwalt.
Für Hoeneß spreche zwar, dass er ein Geständnis abgelegt habe, nicht vorbestraft sei und unter einer großen psychischen Belastung stehe. Der Prozess habe einen "gewaltigen medialen Wirbelsturm" ausgelöst, Hoeneß habe öffentlich am Pranger gestanden. Gewichtige Milderungsgründe, die eine Bewährungsstrafe rechtfertigen würden, seien das aber nicht.
Die Verteidigung forderte in ihrem Plädoyer hingegen, das Verfahren einzustellen und den Haftbefehl auszusetzen. Für den Fall, dass das Gericht Hoeneß' Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung als unwirksam ansieht, fordert die Verteidigung eine Bewährungsstrafe. "Die Tat wird überlagert von einer vollständigen Rückkehr zur Steuerehrlichkeit", sagte Anwalt Hanns Feigen. "Die Stunde Null dieses Verfahrens ist der 17. Januar 2013. Das war die Rückkehr des Herrn Hoeneß zur Steuerehrlichkeit." Es gebe bisher keine Urteile, wie mit einer solchen fehlgeschlagenen Selbstanzeige umzugehen sei. In den Dokumenten habe zudem höchstens ein Satz gefehlt.
Hoeneß hat sich in seinem Schlusswort dem Plädoyer seines Anwalts angeschlossen. "Ich habe dem Vortrag von meinem Verteidiger nichts hinzuzufügen", sagte Hoeneß "Er hat alles gesagt, was ich nicht besser hätte formulieren können." Anschließend legte Hoeneß seiner Frau Susi die Hand auf den Arm, als er den Saal 134 im Münchner Justizpalast verließ.
Das Urteil werde nicht vor 14.00 Uhr fallen, sagte Gerichtssprecherin Andrea Titz. Beide Parteien - Staatsanwaltschaft und Verteidigung - könnten in Revision gehen.
Diese drei Optionen gibt es für das Gericht
Eine Haftstrafe, Bewährung oder sogar Straffreiheit: Alles ist möglich! Welche Option sehen Prozessbeobachter als wie wahrscheinlich an?
Der Knackpunkt ist die Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten. Eine Haftstrafe droht Hoeneß, wenn das Gericht den Argumenten der Anklage folgt: Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft wurde die Selbstanzeige im Januar 2013 nicht freiwillig eingereicht, sondern aus Sorge vor den Recherchen eines 'stern'-Reporters. Dann gäbe es eine Verurteilung wegen des Steuerhinterzugs von 27,2 Millionen Euro. "Wenn das, was in den Medien berichtet wird zutrifft, dann gehe ich von einer Haftstrafe von 4,5 bis 5 Jahren aus", so Dr. Klaus Höchststetter, Fachanwalt für Strafrecht.
Die zweite Option ist eine Bewährungsstrafe. 'Spiegel'-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen sagt: "Ich glaube eigentlich nicht, dass er ins Gefängnis muss. Seinen guten Willen hat er gezeigt, die formalen Dinge erfüllt." Und tatsächlich könnten sich sein umfassendes Geständnis und seine Lebensleistung als strafmildernd auswirken. Zur Bewährung ausgesetzt werden kann aber nur eine Haftstrafe bis zu zwei Jahren – fraglich, ob das Gericht mit diesem Strafmaß bei einer Verurteilung auskäme.
Hoeneß' Verteidiger hoffen daher auf einen Freispruch. Die Anwälte setzen vor allem darauf, dass die Selbstanzeige akzeptiert wird. Joachim Jahn, Wirtschaftsredakteur der FAZ: "Die Verteidigung sagt, wir haben in unserer Selbstanzeige einen viel höheren Betrag eingeräumt als die 27 Millionen Euro, so dass immer noch Sicherheitspuffer da ist." Bei einer Einstellung des Verfahrens müsste Hoeneß dann nur seine Steuerschulden zurückzahlen.