Der Anzug-Wahnsinn von Olympia

Das steckt hinter der Disqualifikation der deutschen Skispringerin

von Jessica Matyschok und Emmanuel Schneider

Der Schock um die nicht regelkonformen Anzüge beim Mixed-Skispringen und die völlig überraschende Disqualifikation von Katharina Althaus wirken nach! Denn der Frust und das Unverständnis über die Entscheidung der Kontrolleure beim deutschen Team sind immer noch groß. Im RTL-Interview erklärt Teammanager Horst Hüttel, warum genau seine Athletin disqualifiziert wurde und was die Folgen sind.

Eine Zentimeterentscheidung

Die Fassungslosigkeit nach der Anzugs-Farce von Zhangjiakou wird auch am Tag danach nicht kleiner. Im Gegenteil. Noch immer versuchen die Verantwortlichen und die Sportler zu ergründen, was da eigentlich an diesem olympischen Montagabend passiert ist.

Rückblick: Das deutsche Team ist im Mixed-Wettbewerb voll auf Kurs, die Medaillen in Sichtweite. Die Dauer-Weltmeister gehen als Favoriten an den Start. Nach dem ersten Sprung jubelt Springer Karl Geiger noch, dann blickt er konsterniert auf die Anzeigetafel. Der Grund: Katharina Althaus, die am Samstag noch Silber im Einzel (und nach eigener Aussage mit demselben Anzug) gewonnen hatte, wird disqualifiziert. Chaos nimmt Überhand. Vier weitere Athletinnen trifft die gleiche Strafe: Raus aus dem Wettbewerb. Diskussionen über die Anzüge überlagern den sportlichen Wettkampf. Dass Slowenien Gold holt, nimmt gefühlt kaum jemand war.

Die deutsche Auswahl, zu der neben Althaus auch Selina Freitag, Karl Geiger und Constantin Schmid gehören, hat nach der Disqualifikation der 25-Jährigen keine Chance mehr und scheidet im ersten Durchgang aus. Betreuer und Sportler wüten infolge der Entscheidung der Kontrolleure. „Ich bin mega stinksauer, ich bin enttäuscht. Es tut richtig weh. Mir tut es für das Team leid, dass mein Name da steht“, sagte Althaus.

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Kontrolleure in der Kritik

Die Kontrolleurin hatte offenbar ganz genau hingeschaut. Zu pingelig, findet das deutsche Team. Was genau hinter der Disqualifikation steckt, erklärt Temmanager Horst Hüttel im RTL-Interview.

„Der Umfang um die Hüfte sei ein, zwei Zentimeter zu groß gewesen“, sagt Hüttel. Die Referenzgröße seien gewisse Maße des Weltverbandes FIS. Denn jeder Sportler wird vor der Saison in Bezug auf die Körpergrößen vermessen. „Bei den Damen darf der Anzug vom Volumen her vier Zentimeter über dem Körpermaß haben. Da waren es bei Katharina an einer Stelle fünf Zentimeter.“

Im wahrsten Sinne des Wortes eine Zentimeter-Entscheidung. „Dass da so pingelig gemessen wurde, kann keiner verstehen“, legt Hüttel nach und kritisiert die Kontrolleure. „Da muss man sich auch als als Kontrolleurin hinterfragen: Wenn fünf Weltklasse-Athletinnen am gleichen Tag disqualifiziert werden, die sonst das ganze Jahr bei ihr kontrolliert werden, ob das nicht auch andere Gründe haben kann.“

Offiziell als Kontrolleure waren am Montag die Polin Agnieszka Baczkowska und der Finne Mika Jukkara im Einsatz. Vor allem Letzterer musste sich harte Kritik anhören. Sein Vorgänger Joseph Gratzer war von den Geschehnissen entsetzt und zweifelte öffentlich daran, dass Jukkara noch der Richtige sei. Baczkowska wehrte sich: "Das ist mein härtester Tag in zehn Jahren als Materialkontrolleurin gewesen. Ich muss aber dafür sorgen, dass alle die gleichen Chancen haben, denn es geht um Gerechtigkeit."

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Alle stehen hinter Katharina Althaus

Wie die Kontrolle vor einem Wettkampf abläuft, erklärt Hüttel oben im Video. Die Grundlage der Vermessung ist das Maß aus dem November. Mögliche Abweichungen nicht inbegriffen.

Hüttel und das Team hadern mit der Entscheidung. „Wie waren voll auf Medaillenkurs. Die fehlt jetzt, da fehlen dann auch Gelder, die uns Unterstützung durch den DOSB eingebracht hätten. Da hängen viele Dinge dran. Uns wurde die Chance genommen, eine Medaille zu gewinnen.“

Der Frust sei zweifellos da gewesen, so Hüttel. „Aber“, stellt er klar, „keiner hat Katharina einen Vorwurf gemacht.“

Für den Mixed-Wettbewerb war es die wohl schlecht möglichste Olympia-Premiere. Das Debüt sollte eigentlich mehr Lust aufs Skispringen machen. Es erreichte wohl eher das Gegenteil.