Vierte Station: Bacharach - Riesling mit Ziegen
Oleksandras Kolumne: Wie bist du, Deutschland? Reise in ein neues Leben

Hallo, mein Name ist Oleksandra. Ich bin 28, Ukrainerin und habe in den letzten 10 Jahren in Kiew gelebt, studiert und als TV-Moderatorin gearbeitet. Der Krieg hat mich jedoch gezwungen, diese Stadt zu verlassen und in ein für mich völlig neues Land zu ziehen. Seit Anfang März lebe ich in Deutschland, entdecke seine wunderbare Kultur und lerne neue Orte kennen. Auf diese Reise möchte ich euch Deutsche mitnehmen – um zu beschreiben, wie ich dieses Land erlebe. Aber auch meine ukrainischen Landsleute hier in Deutschland sowie die in meiner Heimat, die Deutschland nicht kennen. Es gibt viele Klischees über dieses Land. Aber ich glaube, dass Deutschland nicht nur Pünktlichkeit, leckeres Bier und Bratwürste bedeutet.
Bacharach im Mittelrhein-Gebirge

Nach Nordrhein-Westfalen, Hamburg und München ist meine nächste Station Bacharach, ein kleines Wein-Örtchen im Mittelrhein-Gebirge. Viele Menschen verbinden Deutschland mit seinem berühmten und köstlichen Bier, aber es hat auch eine lange Weingeschichte, die bis ins Römische Reich zurückreicht. Und interessanterweise gehört Deutschland zu den Top Ten-Weinproduzenten der Welt. Das hat mich inspiriert, auf die Suche nach Weingütern zu gehen und einen der berühmtesten lokalen Weine zu probieren - den Riesling.
Bacharach - wie in einem Märchen

Ich beschließe, in die Mittelrheinregion zu fahren, die nicht nur für Wein, sondern auch für mittelalterliche Burgen und atemberaubende Landschaften berühmt ist. Das enge Rheintal, eingerahmt von unzähligen steilen Bergrücken ist sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden. Die Zugfahrt von Köln verfliegt angesichts der wunderschönen Landschaft. Nach knapp zwei Stunden bin ich im Herzen der Weinregion Mittelrhein in der Stadt Bacharach. Das moderne Bacharach hat teilweise noch die Atmosphäre einer mittelalterlichen Stadt. Als ich durch ihre engen Gassen mit gepflegten Fachwerkhäusern gehe, fangen die Glocken der Stadtuhr an zu läuten und ich fühle mich wie eine Figur aus einem Märchen.
Jochen Ratzenberger - Winzer in 3. Generation

Wer kann mir besser etwas über die lokalen Weine erzählen als ein Winzer? Ich treffe mich mit Jochen Ratzenberger – er ist Winzer in dritter Generation. Bereits in den späten 1950er Jahren gründete sein Großvater ein kleines Weingut auf etwa 2 Hektar. Jetzt erstrecken sich die Weinberge auf einer Fläche von mehr als 20 Hektar über die Hänge von Bacharach. Das Weingut Ratzenberger hat sich auf die Rieslingproduktion spezialisiert, aber auch Sekt wird hier produziert.
Ziegen zwischen den Weinreben

Wir steigen die Berghänge rund um Bacharach hinauf und ich kann mir die Weinberge näher ansehen, die auf den steilen Terrassenhänge ins Tal hinabsteigen. Herr Ratzenberger erklärt mir, dass die Lage der Weinberge zusammen mit dem milden lokalen Klima und den lehmig-sandigen Böden hervorragende Bedingungen für den Weinbau schafft. Die Familienphilosophie der Ratzenberger ist es, so nah wie möglich an der Natur zu arbeiten und dabei möglichst wenig in den Prozess einzugreifen. Die Trauben-Menge reduziert er aber absichtlich, um die Qualität des Weines zu erhöhen. Ratzenberger nimmt keine Mineraldünger, um den Boden und das Ökosystem nicht zu schädigen. Stattdessen verstreut er Kompost. Und dann staune ich: Es gibt hier Ziegen, die das Gras und Unkraut zwischen den Wein-Reben fressen. Die machen den Wein noch umweltfreundlicher.
Schloss Fürstenberg - Ruine und Wein

Wir klettern zwischen den Weinbergen hinauf und vor uns die Ruine einer wunderschönen alten Festung. Das ist Schloss Fürstenberg aus dem Jahr 1219, erklärt mir Jochen Ratzenberger. Der gut erhaltene Wehrturm und die Ruinen der Burgmauern lassen mich recht lebhaft erahnen, wie majestätisch es hier früher aussah. Die Aussicht von diesem Ort auf das Rheintal ist atemberaubend. Einer der Weine wurde nach dem Schloss Fürstenberg genannt und ich freue mich jetzt darauf, herauszufinden, ob er mir gefallen wird.
Weinprobe

Der Schloss Fürstenberg Riesling ist ein trockener Wein, ich atme sein Aroma ein und kann die frischen Fruchtnoten, das leichte Aroma von Blumen, Ananas und Pfirsich deutlich wahrnehmen. Nachdem wir verschiedene Weine probiert haben – trocken und halbtocken, gehen wir zu süßem "Dessert" -Wein über. Hier erlebe ich eine echte Überraschung – der süße Riesling hat ein helles Fruchtaroma mit leichten Noten von Honig und Mango. Jochen Ratzenberger hat es sehr treffend beschrieben: „Als schmecke man eine saftig duftende Frucht“. Und mit diesem Eindruck verlasse ich Herrn Ratzenberger und die Ziegen.
Ich wünsche allen interessante Reisen und bis nächste Woche!
Kolumne auf Ukrainisch lesen
Hier finden Sie die Kolumne über meine Reise durch Deutschland auf Ukrainisch.
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