Mädels, sperrt die Brüste nicht mehr ein!
Bye-bye, Bra! Wie die Gen Z uns beibringt, auf den BH zu verzichten

Fun Fact: Ich bin gerade in dem langen (und manchmal schmerzhaften) Prozess, meinen Kleiderschrank auszumisten und mich von den Klamotten zu trennen, die ich nicht mehr trage. Wenn ich mir den „Kann weg“-Stapel angucke, fällt mir eines auf: Da liegen ganz schön viele BHs drauf. Und dafür bedanke ich mich hiermit bei der Gen Z – und ein bisschen bei der Corona-Pandemie. Warum? Das erkläre ich jetzt.
BH tragen? Das gehörte einfach dazu!
Als Millennial ist es vielleicht nicht das Naheliegendste, sich an der auf uns folgenden Generation zu orientieren. Schließlich haben wir – ja, auch in Sachen BHs – genug Vorbilder in den Generationen vor uns. Zum Beispiel in den Feministinnen der 1960er- und 70er-Jahre, die zum Protest gegen die weibliche Unterdrückung ihre BHs verbrannt haben. Doch auch, wenn schon damals der Büstenhalter als Symbol des Patriarchats erkannt wurde, war es für mich und meine Freundinnen völlig normal – und sogar ein gefeierter Meilenstein – die Brüste ab der Pubertät in einen BH zu zwängen. Na gut, anfangs vielleicht nicht zu zwängen, sondern den BH vielleicht sogar mit ein paar Taschentüchern auszustopfen. Nichtsdestotrotz: Hinterfragt, ob wir den Büstenhalter denn wirklich brauchen, das haben wir eher selten.
Einen BH zu tragen, das war einfach genauso normal, wie Unterhose und Socken zu tragen. Dass die Dinger oft unbequem waren, Bügel sich irgendwann durch den Stoff und in die Haut gebohrt haben, die Träger ständig rutschten oder wir für Oberteile mit unkonventionellen Trägern oder Ausschnitten auch verschiedene BH-Modelle benötigten – tja, neben Pink Tax und dem monatlichen Periodenfluch nur ein weiterer Nachteil daran, eine Frau zu sein.
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Lasst die Brüste Brüste sein!
Anders ist es bei der Gen Z. Wer sich in der Innenstadt mal umschaut, sieht immer mehr junge Frauen, die entweder gar keinen BH tragen, oder auf einen weichen Bustier ohne Cups, Drähte und Push-up-Funktion umgestiegen sind. Ohne die Polsterung, die aus jeder noch so natürlich geformten Brust ein rundes, perfektes Körbchen zaubern soll, sieht man inzwischen wieder Brüste in allen Formen und allen Größen. Und was der No-Bra-Trend außerdem mitbringt: Wir sehen wieder Nippel.
Was die jungen Vorbilder den Feministinnen voraus haben: Bei ihnen ist der Verzicht auf den BH kein politisches Statement. Es geht ihnen einzig und allein darum, was bequemer ist. Denn seien wir mal ehrlich: Bequem ist ein BH eigentlich nie.
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Alarmiert die Medien: Frauen haben Nippel!
Ich bewundere die Gen Z in vielerlei Hinsicht für ihre Einstellung. Was viele als Faulheit, Ich-Bezogenheit oder fehlende Disziplin kritisieren, sehe ich als die bewundernswerte Fähigkeit, das eigene Wohlempfinden über gelernte „Das macht man halt so“-Relikte vorheriger Generationen zu stellen. Statt einfach das Tragen von BHs als weibliches To-do zu übernehmen, wird es hinterfragt. Wieso sollte man einen Körperteil, den die Hälfte der Bevölkerung in irgendeiner Form und Größe besitzt, zusammenzwängen? Warum sollten wir darauf achten, dass unsere Brüste bloß gleichgroß wirken und entgegen der natürlichen Schwerkraft irgendwo unter unserem in Form gezauberten Dekolleté kleben? Und warum sollten wir verstecken, dass wir Nippel haben?
Ich selbst habe inzwischen (auch Corona und Homeoffice sei Dank) die Erkenntnis erlangt, dass ich BHs nicht für mich trage (denn zu Hause würde ich nicht einmal auf die Idee kommen, mir einen Bügel-BH anzuziehen), sondern „weil man es halt so macht“. Und dank der Gen Z kann ich zumindest für mich entscheiden, dass mir das mittlerweile egal ist. Denn – auch das habe ich für mich gelernt – der Support eines sehr viel bequemeren Bustiers reicht auf jeden Fall aus. (kme)