04. März 2021 - 18:32 Uhr
Behörden wussten nichts von der Familie
Der spektakuläre Fall Ruinerwold bleibt rätselhaft und wird wohl juristisch nie geklärt. Das Strafgericht in Assen hat jetzt entschieden, dass der Vater der isolierten Familie auf einem abgelegenen Bauernhof strafrechtlich doch nicht verfolgt wird. Grund: der schlechte Gesundheitszustand des Angeklagten Gerrit Jan van D. (68) sei nicht prozessfähig.
Er soll Kinder terrorisiert und sexuell missbraucht haben
Neun Jahre lang hatte der Niederländer mit sechs seiner neun Kinder auf dem Hof in Ruinerwold im Nordosten des Landes gelebt - total isoliert. Gerrit Jan van D. war angeklagt für Freiheitsberaubung. Er soll seine Kinder terrorisiert und zwei auch sexuell missbraucht haben.

Der Beschluss des Gerichts war nach mehreren Gutachten abzusehen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten die Niederschlagung beantragt. Van D. hatte bei einem Schlaganfall 2016 schwere Hirnschäden erlitten, ist halbseitig gelähmt und kann nicht sprechen. Er soll sofort aus der Haft entlassen werden.
Ältere Kinder schildern Psychoterror und Gewalt
Gerrit Jan van D. hatte seine Kinder nach einer eigenen Naturreligion auf dem Hof nahe der deutschen Grenze erzogen. Die Behörden wussten nichts von der Familie und offenbar auch nicht die Nachbarn. Bis zum Oktober 2019, als ein Sohn in der Dorfkneipe von Ruinerwold um Hilfe gebeten hatte. Die Entdeckung der Familie hatte weltweit Schlagzeilen gemacht.
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Einige Kinder - alle sind heute volljährig - hatten davor gewarnt, ihren Vater freizulassen. Die jüngeren Geschwister könnten so wieder in seinen Einfluss kommen. Die vier ältesten Kinder hatten auch in einer Erklärung ihr Leiden durch Psychoterror und Gewalt geschildert. Sie wollten, dass das Gericht das Unrecht feststellen sollte.
Jüngere Geschwister: "Für uns war und ist er immer nur Papa"
Dem widersprachen nun die jüngeren Geschwister. Sie seien keine Opfer und bedauerten in keinster Weise ihre Erziehung. Ihr Vater sei nie "ein Messias" gewesen, heißt es in einer Erklärung. "Für uns war und ist er immer nur Papa." Das Leben auf dem Hof war nach ihrer Darstellung nicht traumatisierend, sondern ein "ruhiges und befriedigendes Leben".

Das Jahr nach der Entdeckung durch die Polizei hätten sie als "traumatisch" erfahren. Die fünf Jüngsten wollen ihren Vater jetzt zu sich nehmen. Einen Prozess wird es aber sicher geben: Der Österreicher Josef B., selbst-erklärter "Jünger" des Niederländers, muss sich wegen Beihilfe verantworten. Er hatte den Hof gemietet, die Familie ernährt. Er bestreitet die Vorwürfe. Wann dieser Prozess stattfindet, ist unklar.