Nahost-Gespräche in Jerusalem: Merkel dringt auf Frieden in Israel

Viel wird zu bereden sein, wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem zusammenkommt. Um den Friedensprozess im Nahen Osten voranzutreiben, ist Merkel mit beinah dem gesamten Kabinett nach Israel gereist. Währenddessen hat der israelische Historiker Tom Segev Deutschland dazu aufgefordert, ein selbstzerstörerisches Israel vor sich selbst zu beschützen. Die Siedlungspolitik gilt als wesentliche Hürde im Friedensprozess - Israels Premier sieht das nicht so.

ARCHIV - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, r) und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geben am 06.12.2012 zum Abschluss der deutsch-Israelischen Konsultationen im Bundeskanzleramt in Berlin eine Pressekonferenz. Vom 24.02.2014 bis 25.02.2014 finden in Jerusalem (Israel) deutsch-israelischen Regierungskonsultationen statt. Foto: Tim Brakemeier/dpa (zu dpa vom 23.02.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Wird Kanzlerin Merkel gegenüber Israels Premier Netanjahu den voranschreitenden Siedlungsbau kritisieren?

Kurz vor dem Besuch der Kanzlerin hat Netanjahu dem 'heute-journal' ein Interview gegeben: "Wer sagt, die Siedlungen seien das Haupthindernis, muss wissen, dass wir auch nach der Zerstörung all der Siedlungen in Gaza keinen Frieden bekommen haben." Stattdessen sieht er die Schuld, dass die Friedensverhandlungen seit Jahren stocken, bei den Palästinensern. Denn der "Schlüssel zum Frieden" sei weniger die israelische Siedlungspolitik als vielmehr der Wille der Palästinenser, einen nationalen Staat der Juden zu akzeptieren.

Merkel hatte sich zuvor erneut für eine rasche und stabile Zweistaatenlösung für Israelis und Palästinenser ausgesprochen. Sie werde den Besuch in Jerusalem "auch dazu nutzen, mit dem israelischen Premierminister darüber zu sprechen, was noch an Hürden für einen solchen Prozess auf dem Weg liegt".

RTL-Reporterin Raschel Blufarb sieht in dem Besuch Merkels keinen Freundschaftsbesuch: "Deutschland kritisiert den Siedlungsbau Israels und den stockenden Friedensprozess mit den Palästinensern. Und viele Israelis sind genervt von der immer wiederkehrenden Kritik und finden, dass Deutschland sich zu viel einmischt. Und doch wertet Israels Premierminister Benjamin Netanjahu es als Zeichen der Freundschaft, dass Merkel heute fast mit dem gesamten Kabinett anreist."

Linksfraktionsvize Jan Korte begrüßte, dass sich Merkel klar für eine rasche Umsetzung einer Zweistaatenlösung ausgesprochen habe. "Wichtig wird aber sein, dass sie sich auch in den bilateralen Gesprächen mit der israelischen Regierung so deutlich positioniert" und auch konkrete Unterstützung bei der Umsetzung anbiete, sagte er. Grünen-Chef Cem Özdemir forderte, man müsse Netanjahu klarmachen, dass weiterer Siedlungsausbau im palästinensischen Gebieten nicht im israelischen Interesse liege.

Rede von EU-Parlamentspräsident Schulz in der Knesset noch nicht vergessen

Der israelische Ministerpräsident macht die Anerkennung Israels als jüdischen Staat zur Bedingung für ein Ende des jahrzehntealten Konflikts. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas lehnt die Forderung mit der Begründung ab, damit werde auf das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge und deren Nachkommen aus dem heutigen Israel verzichtet.

Der israelische Historiker Tom Segev sagte: "Deutschland sollte Israel gerade wegen der NS-Vergangenheit und seiner langjährigen Unterstützung Israels davon abhalten, sich selbst zu zerstören." Die fortdauernde Besatzung der Palästinensergebiete mache es "unmöglich, dass wir ein jüdischer und demokratischer Staat bleiben", sagte Segev.

Auch der Jerusalemer Historiker Moshe Zimmermann forderte die Bundesregierung auf, den Druck für eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern zu erhöhen. Die Zeit sei endgültig reif für ein solches Abkommen, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Die Bundesrepublik stehe für Europa. "Und wenn Deutschland hier deutliche Worte spricht, werden die israelischen Politiker (…) verstehen, worum es (…) geht."

Erst vor knapp zwei Wochen stand der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) für eine Rede in Israels Parlament in der Kritik. Dort hatte er sich kritisch zum Bau israelischer Siedlungen im Westjordanland, zur Blockade des Gaza-Streifens und zur Aufteilung von Trinkwasser, geäußert. Abgeordnete der siedlernahen Partei 'Jüdisches Haus' hatten daraufhin schimpfend das Plenum verlassen.

Schulz hatte eine Entschuldigung zurückgewiesen: "Ich war verpflichtet, die Position des Europäischen Parlaments darzulegen. Ich kann natürlich nicht nur die Dinge sagen, die allen gefallen. Ich muss auch die konfliktträchtigen Dinge vortragen." Er sei von der harschen Reaktion überrascht und betroffen gewesen, denn er habe eine proisraelische Rede gehalten.

Allerdings hatte er auch Zuspruch erhalten. Die auflagenstärkste Zeitung 'Jediot Achronot' befand, dass Schultz in der Wasserfrage nicht völlig falsch gelegen habe. "Die statistischen Angaben, über die der EU-Parlamentspräsident in der Knesset gesprochen hat, sind nicht exakt, aber nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen nicht weit von der Realität entfernt." Schulz hatte darauf hingewiesen, dass Israelis ein Vielfaches der Wassermenge von Palästinensern verbrauchen dürften.