McLaren: "Märchenstunde" von Bullen-Boss Horner

Nach Red-Bull-Urteil: Vergiftete Stimmung in der Formel 1

 Formula 1 2022: United States GP CIRCUIT OF THE AMERICAS, UNITED STATES OF AMERICA - OCTOBER 21: Zak Brown, CEO, McLaren Racing, and Andreas Seidl, Team Principal, McLaren during the United States GP at Circuit of the Americas on Friday October 21, 2022 in Austin, United States of America. Photo by Glenn Dunbar / LAT Images Images PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY GP2219_102702_J5A5145
McLaren-Geschäftsführer Zack Brown und Teamchef Andreas Seidl sind auf die Budget-Sünder Red Bull nicht gut zu sprechen
www.imago-images.de, IMAGO/Motorsport Images, IMAGO/Glenn Dunbar

McLarens deutscher Teamchef Andreas Seidl sprach von der „nächsten Märchenstunde“. Sein Mercedes-Kollege Toto Wolff erklärte die Ausführungen von Christian Horner nach dem Urteil im Kosten-Konflikt der vergangenen Saison um den neuen Branchenführer Red Bull schlicht als „überflüssig“. Die Akte zu den unerlaubten Mehrausgaben des Weltmeisters ist zwar geschlossen, die Gräben zwischen dem neuen Branchenführer in der Formel 1 und seinen Verfolgern, Widersachern und Gegnern scheint tiefer denn je. Der Unmut bei den Rivalen bleibt groß, das Vertrauen ist beschädigt.

Horner sieht keinen Grund sich zu entschuldigen

Warum sollten sie sich entschuldigen, hatte Horner in seiner eigens einberufenen Pressekonferenz auf dem Autódromo Hermanos Rodríguez betont: Ein paar Rivalen müssten sich eher bei ihnen entschuldigen.

Erst eine Woche zuvor hatte es Horner eskalieren lassen und mit einigen Konkurrenten abgerechnet. Noch vor Bekanntgabe der Strafe von sieben Millionen US-Dollar und zehnprozentiger Einschränkung der Aerodynamik-Entwicklung war der 48-Jährige in den Gegenangriff übergangenen, nachdem dem Team unter anderem sogar Betrug vorgeworfen worden war. Der Tod von und die Trauer um Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz befriedete für wenigstens ein paar Tage die Situation.

McLaren-Geschäftsführer Brown fordert härte Strafen

Mit der Urteilsverkündung ging es wieder los. „Ich bin sicher, wenn jemand unseren Windtunnel niedergebrannt hätte, wäre es nicht genug gewesen“, giftete Horner in Mexiko-Stadt unter anderem während seiner 49-minütigen Pressekonferenz. Er sei über den Punkt hinaus, das Gesagte zu kommentieren, sagte Wolff darauf im Fahrerlager des Großen Preises von Mexiko.

„Ich habe nicht zugehört“, meinte Kollege Seidl bei Sky Sports: „Ich kann mir vorstellen, dass es wahrscheinlich eine weitere Märchenstunde war.“ McLaren-Geschäftsführer Zak Brown, der sich vorher schon mit einem Brief an den Motorsport-Weltverband FIA und die Formel 1 bei Horner unbeliebt gemacht hatte, weil darin auch von Betrug die Rede gewesen war, betonte: „Wenn die Regeln so gebrochen werden, müssen die Strafen in Zukunft deutlich heftiger ausfallen.“

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Budgetgrenze gerissen: Red Bull macht Verfahrensfehler geltend

Red Bull hatte zuvor das Angebot eines akzeptierten Vertragsbruchs von der FIA angenommen. Vorausgegangenen waren monatelange Untersuchungen. Die Bekanntgabe der Ergebnisse war mehrfach verschoben worden. Details wurden nun erst mit der Veröffentlichung des Strafmaßes bekannt.

Umgerechnet rund 2,15 Millionen US-Dollar hatte Red Bull demnach 2021 und damit im ersten Titel-Jahr von Max Verstappen über dem Limit ausgegeben. Horner und auch die FIA hatten dabei auch darauf hingewiesen, dass diese Summe durch einen Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem britischen Steuersystem begünstigt worden sein soll, sonst wären es rund 500.000 US-Dollar gewesen.

Wolff: Dummes Gerede von Red Bull

Dass das Team keinerlei Vorteile durch die Mehrausgaben im sportlichen Bereich, sprich auf der Strecke gehabt haben soll, sagte Horner. Das Geld sei unter anderem ins Catering geflossen oder für Krankenstände verwendet worden. „Wir haben auch ein Restaurant und Krankenstände. Die Argumentation stimmt so nicht. Am Ende des Abends sind die Erklärungen überflüssig“, sagte Wolff dem Sender Sky.

„Ich dachte, das ist schon eine sehr gute Performance von Christian“, kommentierte Ex-Rennfahrer und Sky-Experte Martin Brundle: „Ich kauf ihm nicht ab, dass das keine Auswirkungen auf die Leistung hat, sonst musst du dein Geld woanders ausgeben.“ Die Formel 1 sei ein Sport, „in dem Kleinigkeiten den Unterschied machen. Wenn etwas anderes behauptet wird, ist das dummes Gerede“, pflichtete Wolff bei. Es gebe keinen mildernden Faktor.

Ferrari: "Wir halten die Strafe für zu niedrig“

Selbst in der Heimat des Brause-Teams werden kritische Fragen laut. Die „Salzburger Nachrichten schrieben: „Was sind die WM-Titel von Red Bull noch wert?“ Die Frage ist aber auch: Welche Auswirkungen haben die Strafen? Die sieben Millionen US-Dollar sind da nur ein Randaspekt. Von einem möglichen Zeitverlust von 0,25 bis 0,5 Sekunden pro Runde und einem Handicap fürs nächste Jahr und auch noch für 2024 hatte Horner gesprochen.

„Drakonisch“ gar seien die Einschränkungen im Windkanal und bei den Computer-Simulationen. „Übertrieben“, wiederum nannte Mercedes-Renningenieur Andrew Shovlin anschließend das Lamentieren des Bullen-Chefs. „Wir halten die Strafe für zu niedrig“, betonte Ferraris Sportchef Laurent Mekies: „Alles in allem glauben wir, dass die Auswirkungen der Strafe sehr klein bleiben werden.“ (wwi, dpa/sid)