Mediziner schätzt ein
Lebenslang immun nach leichter Corona-Infektion?

Wer leicht an Corona erkrankt ist, der könnte ein Leben lang immun gegen das Virus sein. Zig Medien berichten, eine neue Studie mache dahingehend Hoffnung. Was an dieser These wirklich dran ist, erklärt RTL-Medizinexperte Dr. Christoph Specht.
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Immunschutz bleibt lange bestehen
Forschende der Washington University School of Medicine in St. Louis fanden nun in Studien heraus, dass der Immunschutz gegen das Coronavirus bei einer leichten Infektion lange bestehen bleibt. Zwar nahmen die Antikörper bei den Probanden nach und nach ab. Das konnte auch die Rheinland-Studie kürzlich nachweisen. Doch die gebildeten Gedächtniszellen, die die Informationen über das Virus abspeichern, blieben bestehen. Dadurch können schnell wieder Antikörper produziert werden.
Doch dass Genesene nach einer leichten Infektion lebenslang immun sind, heißt das nicht, sagt Allgemeinmediziner und Medizinexperte Dr. Christoph Specht: „Erstens: Dass die Immunität lebenslang anhalten würde ist schon mal ungewöhnlich bei einem Erkältungsvirus, was SARS-CoV-2 ist. Das Zweite wäre, dass gerade bei milden Infektionen eine anhaltende Immunität zu bemerken wäre.“
Immunschutz hängt vom Alter ab
„Der Studienautor sagt nicht, dass jemand eine lebenslange Immunität hat“, urteilt Specht. Stattdessen sehe der Autor nur Hinweise dafür, dass eine Immunität lebenslang anhalten könnte. Wie lang ein Immunschutz anhält, das hänge von verschiedenen Faktoren ab, sagt Specht. Zum Beispiel spiele das Alter der Betroffenen eine Rolle: Wenn ein junger Mensch erkrankt war und genesen ist, dann sei davon auszugehen, dass er eine sehr gute Immunabwehr hat. Dementsprechend halte der Schutz auch relativ lange an – aber trotzdem nicht das ganze Leben.
„Wenn nun die gleiche Menge Virus auf einen 85-Jährigen trifft, dann ist davon auszugehen, dass seine Immunabwehr schon bei der Infektion schlechter ist. Deswegen wird er wahrscheinlich auch schwerer erkranken. Und die Immunabwehr wird auch nicht so lange halten.“ Eine allgemeine Aussage, dass man nach leichten Infektionen ein Leben lang immun sei, könne man gar nicht treffen, sagt Specht. Trotzdem macht die Studie aber Hoffnung, denn: „Es sind schöne Hinweise, dass die Immunität auch bei milden Infektionen länger anhält als man erwartet hat.“
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Schwer Erkrankte haben geringeren Schutz vor neuer Infektion
Eine weitere Aussage der Studie: Personen, die schwer an Covid-19 erkrankten, genießen einen geringeren Schutz davor, nochmal zu erkranken. Dafür hat der Mediziner eine einfache Erklärung. Wer ein schlechtes Immunsystem habe, der erkranke auch eher schwer. „Wenn ich einen 85-Jährigen kranken Menschen habe, der jetzt auch noch SARS-CoV-2 bekommt, das jetzt aber irgendwie überlebt trotz schwerer Erkrankung, dann kann es sehr gut sein, wenn er wieder mit dem Virus in Kontakt kommt, dass dessen Schutz schlechter ist, weil auch sein Immunsystem schlechter ist und die Entzündungsprozesse im Körper die Immunabwehr bei der ersten Erkrankung gar nicht so gut haben aufbauen lassen.“
Studie sollte Panik nehmen
Ein Kritikpunkt, den Specht am Forschungsdesign der Studie äußert: Es wurden darin nur 77 Probanden untersucht. „Es wäre gut, eine größere Anzahl an Probanden zu haben und dann zu unterscheiden: Wie sieht es eigentlich bei Jungen aus und wie sieht es bei Alten aus?“
Trotzdem ist die Studie ein Grund zur Hoffnung: „SARS-CoV-2 geht nicht mehr weg, das wird immer da bleiben in den nächsten zig Jahren. Wir werden uns aber als Gesellschaft prima daran gewöhnen können, weil wir eine Teilimmunität haben werden. Das ist alles eine gute Aussicht und sollte uns ein bisschen von der Panik nehmen.“ (ebr)