Moskau hat "Schutzfunktion" für Millionen Russen in den Ex-Sowjetrepubliken

Russian military vehicles drive along Tverskaya street during the rehearsal of the Victory Day parade in Moscow, Russia 05 May 2008. Military technics will be shown on the Red Square after an eighteen-year break. EPA/YURI KOCHETKOV (zu dpa-Korr. "Militär-Maskerade - Moskaus größte Siegesfeier seit Sowjetzeiten" vom 08.05.2008) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Russische Armee - nicht nur in Russland stationiert
dpa, A2800 epa Yuri Kochetkov

Ukraine: Auf der Halbinsel Krim herrschen heftige Spannungen. Ein Grund ist der dortige hohe Anteil der russischstämmigen Bevölkerung. Er liegt bei mehr als 60 Prozent. Vor allem die schnelle Entscheidung der ukrainischen Übergangsregierung, Russisch als zweite Amtssprache abzuschaffen, hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf den Plan gerufen. Denn in Moskau fühlt man aus historischen und strategischen Gründen eine starke Verantwortung für Russen und Russischstämmige, die außerhalb der Landesgrenzen wohnen. Das erklärt die aktuellen Muskelspiele Russlands im Krim-Konflikt.

Der Hauptgrund ist, dass durch den Zerfall der Sowjetunion 1991 ein sehr hoher Anteil der Russen gar nicht in Russland selbst lebt. Etwa 17 Millionen leben in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und zirka sechs Millionen in weiteren Staaten. Sogenannte Altrussen, die über mehrere Generationen in nicht-russischen Gebieten wie der Ukraine, Georgien oder den baltischen Ländern angesiedelt waren, prägten viele Sowjetrepubliken. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die privilegierte Stellung der russischen Nationalität und Sprache von vielen neuen Nationalstaaten gekippt, was etwa in Estland oder Lettland zu erheblichen Konflikten geführt hat. Kenntnisse der jeweiligen Landessprache waren zum Teil Voraussetzung dafür, überhaupt die Staatsbürgerschaft des neuen Staates zu erlangen.

Hinzukommt, dass immer noch in erheblichem Ausmaß russische Soldaten in den ehemaligen Sowjetrepubliken stationiert sind - nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Moldawien, Zentralasien oder Weißrussland.

Schutz für Auslandsrussen

Die sogenannte Putin-Doktrin aus dem Jahr 2003 ist eine Reaktion auf den schwindenden russischen Einfluss in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Russland bemüht sich seither, diese Staaten in politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten weiter zu beeinflussen. Diese außen- und sicherheitspolitische Strategie äußert sich unter anderem in der Unterstützung pro-russischer Medien sowie russlandnaher Parteien und Politiker. Doch wirklich erweitert wurde die Möglichkeit zum Eingreifen im Ausland durch die neue Militärdoktrin aus dem Jahr 2010. Danach können Streitkräfte zum Schutz russischer Bürger

auch im Ausland eingesetzt werden.

Nicht nur wegen der Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim schaute Moskau immer mit besonderem Blick auf die Ukraine. "Viele Russen verstehen die Ukraine als Brudervolk, weil man eine gemeinsame Geschichte und auch heute enge Verbindungen hat", sagt Susan Stewart, stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dass mehr als acht Millionen Menschen in der Ukraine Russisch als Muttersprache sprechen, ist ein weiteres verbindendes Element. Daher gerät Putin in Russland selbst unter Druck, sich für diese Bevölkerung vor allem im Osten der Ukraine einzusetzen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Moskau in anderen Ländern mit dem Hinweis auf den nötigen Schutz der Russen aktiv wird: So weist die jetzige Situation nach Ansicht Stewarts Parallelen zum Eingreifen des russischen Militärs im Georgien-Konflikt 2008 auf. Auch damals wurde die Intervention zugunsten der abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien mit dem Schutz der dort lebenden Russen begründet.