Lieferengpässe in Deutschland

Welche Medikamente für Kinder aktuell fehlen - und was Sie jetzt tun sollten

ARCHIV - 18.11.2022, Baden-Württemberg, Stuttgart: ILLUSTRATION - Ein Fieberthermometer und Medikamente liegen auf einem Nachttisch (gestellte Szene). Gerade sind sehr viele Kinder krank. Auch deshalb ist es schwerer an Medizin zu kommen. (zu dpa: «Holetschek sieht Bund bei Arzneiknappheit in der Pflicht») Foto: Bernd Weißbrod/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Experten gehen davon aus, dass auch in diesem Herbst und Winter in Deutschland diverse Medikamente für Kinder knapp werden
dpa, Bernd Weißbrod
von Larissa Königs

Schon früh wurde gewarnt, nun ist es wieder akut: der Medikamentenmangel in Deutschland. Auch in diesem Herbst und Winter werden diverse Arzneimittel knapp. Besonders betroffen sind Fiebersäfte und Antibiotika für Kinder. Was derzeit fehlt, wozu Experten im Zweifelsfall raten und was man auf keinen Fall tun sollte: ein Überblick.

Welche Medikamente in Deutschland besonders knapp sind

Vorkehrungen gegen neue Engpässe bei Medikamenten, speziell für Kinder, waren heute Thema bei einem Treffen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit Vertretern von Apotheken, Ärzten und der Pharmabranche. Neu ist das Thema nicht, schon seit dem Frühjahr wird gewarnt, dass einige Medikamente wieder knapp werden könnten.

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Dr. Hans-Peter Hubmann, Apotheker und Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) sagt RTL, was aktuell am meisten fehlt: „Fiebersäfte sind immer relativ knapp. Dramatische Engpässe gibt es bei Antibiotika, denn die sind nicht so einfach zu produzieren und werden weltweit gebraucht.“

Tragisch, dass es überhaupt zu dieser Situation kommen musste. Denn dass die Medikamente fehlen, ist allen schon lange bekannt. „Gerade über den Mangel von Antibiotika und Fiebersäften reden wir schon seit anderthalb Jahren“, sagt Maik Pommer. Pressesprecher vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Im Video: Dr. Specht zu den Medikamenten-Engpässen

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Welche Medikamente für Kinder generell knapp sind: Die Dringlichkeitsliste

Welche Medikamente abgesehen von Fiebersäften und Antibiotika fehlen, kann man auf der Dringlichkeitsliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für Arzneimittel für Kinder nachlesen. Auf der Liste, deren aktuellster Stand von August 2023 ist, finden sich derzeit knapp 30 Kinderpräparate, die mit höchster Priorität beschafft werden sollten. Im Folgenden finden Sie die jeweils benötigten Medikamente.

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Diese Antibiotika fehlen aktuell laut Dringlichkeitsliste

  • Das Breitbandantibiotikum Amoxicillin (auch in Kombination mit Clavulansäure) als Pulver

  • Azithromycin (Antibiotikum, das vor allem bei Infektionen der unteren und oberen Atemwege angewendet wird) als Pulver

  • Cefaclor als Pulver und Granulat

  • Cefadroxil (wird u.a. bei Mandelentzündungen verschrieben) als Pulver

  • Cefixim als Pulver und Granulat

  • Cefpodoxim als Pulver

  • Cefuroxim als Granulat

  • Clarithromycin als Granulat

  • Clindamycin als Granulat

  • Erythromycin als Pulver

  • Phenoxymethylpenicillin (gehört zu den Oralpenicillinen) als Granulat, Suspension und Pulver

  • Sultamicillin als Pulver

  • Trimethoprim/ Sulfamethoxazol (wird u.a. bei Blasenentzündungen verschrieben) als Suspension

Diese Schmerz- und Fiebermittel fehlen aktuell laut Dringlichkeitsliste

  • Ibuprofen als Suspension, Zäpfchen und Weichkapsel

  • Paracetamol als Lösung, Zäpfchen, Sirup und Granulat

Weitere Medikamente, die laut Dringlichkeitsliste derzeit fehlen

  • Salbutamol (Medikament zur Erweiterung der Bronchien, wird u.a. bei akuter Atemnot, etwa bei Asthma eingesetzt) als Suspension, Lösung, Pulver und Tropfen

  • Xylometazolin oder Oxymetazolin als Nasensprays, Nasentropfen und als Lösung

Medikamente sind knapp? Diesen Fehler sollten Sie jetzt auf keinen Fall begehen!

Wer nun bei den vielen Medikamenten auf der Dringlichkeitsliste Sorge um den bevorstehenden Winter hat, sollte dennoch einen Fehler auf keinen Fall machen: Hamstern.

„Ein wichtiger Appell an alle Patienten und auch Eltern von kranken Kindern: Verzichten Sie unbedingt auf eine unangemessene Bevorratung, vor allem bei Medikamenten, die sich bereits auf der Dringlichkeitsliste befinden“, betont Maik Pommer vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Apotheker Hubmann führt aus, warum das so gefährlich ist: „Medikamente in großen Mengen auf Vorrat zu kaufen ist so problematisch, weil dann eventuell ein Haushalt drei Hustensäfte hat – und eine andere Familie gar keinen. Dort gibt es dann ein Kind, das leidet.“

Zudem sei ein Hamsterkauf bei den Antibiotika sowieso nicht möglich. Zum einen, weil man hier grundsätzlich ein Rezept braucht und zum anderen, weil im Vorfeld nicht abschätzbar ist, welches Antibiotikum überhaupt benötigt wird. „Je nachdem, um welche Infektion es geht, wird dann erst das darauf passende Antibiotikum von den Ärzten ausgewählt“, erläutert Hubmann.

Ihre Stimme zählt!

Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht repräsentativ.

Was man vorsorglich wegen des Medikamentenmangels in Deutschland tun kann

Wer sich nicht unvorbereitet in die Erkältungssaison stürzen will, kann dennoch eine Vorkehrung treffen: Die Hausapotheke aufstocken. So erklärt Hubmann: „Bei allem, was man relativ häufig braucht, kann man jetzt schonmal in der Apotheke schauen, ob man sich eine (!) zusätzliche Packung schon einmal kaufen kann, damit man im schlimmsten Fall etwas hat.“

Lese-Tipp: Diese Arzneimittel gehören in die Hausapotheke

Er rate jedoch auch hier eindringlich davon ab, „einfach alle möglichen Medikamente auf Vorrat zu kaufen“. Auch, weil das Risiko des Verfalls sehr groß sei, da einige Medikamente mittlerweile nur noch ein halbes Jahr haltbar sind.

Ein weiterer Tipp, wenn man sich schon angeschlagen fühlt, kommt von Pommer: „Wenn man merkt, dass eine Krankheit im Anflug ist, sollte man frühzeitig zum Arzt gehen. Dann haben die Apotheker auch genug Zeit, das entsprechende Medikament zu besorgen.“

Was sollte ich tun, wenn es akut ist, und das Medikament in keiner Apotheke verfügbar ist?

Grundsätzlich ist es laut Apotheker Hubmann so, dass die Apotheken immer nach einer Notfalllösung suchen. „Wir tun alles, damit man nicht ohne ein Medikament wieder gehen muss. Wir überlegen bezüglich anderer Wirkstärken, gehen in Absprache mit den Ärzten wegen Ersatzmedikamenten oder rufen in anderen Filialen an. Nur im allergrößten Notfall schicken wir jemanden wieder weg.

Sollte es aber dennoch vorkommen und sich tatsächlich um einen Notfall handeln, etwa, wenn beispielsweise bei einer bakteriellen Infektion dringend Antibiotikum dringend benötigt wird, hilft nur der Gang in die Notaufnahme.