Wahl-Drama in den USA
McCarthys Wahldebakel: Drei Wahlgänge scheitern - ein bitterer Vorgeschmack bleibt

Das Drama um die Wahl der Nummer drei im Staat lässt erahnen, was sich in Washington künftig ändern wird. Der Republikaner McCarthy will Sprecher des Repräsentantenhauses werden und scheitert in drei Wahlgängen an seiner eigenen Partei. Für die Arbeit im Repräsentantenhaus lässt das nichts Gutes erahnen.
Jahrhundertereignis: Kevin McCarthy wird das Amt verweigert
Läuft man am Dienstagabend durch das komplexe Tunnelsystem des Capitols, sieht man Abgeordnete, deren Gesichtsausdrücke von Teilnahmslosigkeit über Entsetzen bis hin zur Selbstzufriedenheit reichen. Demokraten können sich als Gewinner fühlen: Ihrem politischen Gegner, den Republikanern, gelingt es nicht, ihren Kandidaten als Sprecher durchzusetzen. Eine Gruppe von Abgeordneten hatte die Wahl verhindert und damit moderate Republikaner entsetzt.
Es ist ein Jahrhundertereignis, das sich gerade im Repräsentantenhaus abspielt. Ein Kandidat brauchte zuletzt 1923 mehrere Wahlgänge, um den mächtigen Sprecherposten zu bekommen. Genau 100 Jahre später dürfte sich der Kandidat Kevin McCarthy nur vier Abweichler leisten, tatsächlich waren es aber viel mehr: bei zwei Wahlgängen 19 und bei einem sogar 20 Parteimitglieder, die ihm die Stimme und damit das Amt verweigern.
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Dem Möchtegern-Mehrheitsführer gelang es nicht, vorher eine Mehrheit zu organisieren. Doch das wäre als Mehrheitsführer sein Job. Er muss eine Mehrheit organisieren - für Gesetze oder eben im Fall der Opposition, um Gesetze zu verhindern. Aber immer muss er zählen: wie viele sind auf meiner Seite? Sind es zu wenig, ist es sein Job, Abgeordnete zu überzeugen. So will es die Rolle.
Wegducken unmöglich: Abgeordnete melden sich zu Wort
Wochenlang hatte der Republikaner eben genau das probiert - jetzt der Beleg, dass er damit gescheitert ist. Auch wenn er seine Sachen schon in das Büro des Sprechers bringen ließ und vor der ersten Abstimmung selbstsicher in die Mikrofone der Journalisten rief: "Ich halte den Rekord für die längste Rede, die jemals im Plenum gehalten wurde. Ich habe kein Problem damit, auch den Rekord für die größte Zahl an Abstimmungen für den Sprecherposten aufzustellen."
Doch der rechte Flügel der Partei beweist McCarthy heute, dass weitere Wahlgänge nichts bringen. McCarthy weiß mit Vor- und Nachnamen, wer seine Gegner sind. Jeder Abgeordnete muss bei einem Wahlgang aufstehen und den Namen des Kandidaten, für den er stimmt, laut ausrufen - ein Wegducken wie in einer geheimen Wahl gibt es nicht.
Aber das wäre auch gar nicht im Sinne der McCarthy-Gegner. Sie wollen, dass die Menschen in den USA wissen, was sie von ihm halten. Wenn zum Beispiel der rechte Abgeordnete Matt Gaetz (Florida) stolz ins Mikrofon sagt, dass er den 57-jährigen McCarthy nicht wählt, denn "wenn du den Sumpf trockenlegen willst, kannst du nicht das größte Krokodil zum Anführer bestimmen", erinnert das ziemlich deutlich an jemanden, der einst in den Präsidentschaftswahlkampf zog mit dem Versprechen, den "Lobby-Sumpf in Washington auszutrocknen" - Donald J. Trump.
Bob Good gehört zu den Gegnern, der twittert, dass das amerikanische Volk den gewählten Führern wichtiger sein solle als das Engagement des Washingtoner Establishments zum Schutz persönlicher Interessen. Auch diese Aussage erinnert an den republikanischen Wahlkampf 2016. Und so schwebt der Ex-Präsident eben doch auch wieder über diesem Ereignis in Washington.
Zerreißprobe: "Mehrheit zu haben" heißt nicht "Mehrheit zu nutzen"
Aber viel schlimmer - Washington ist gelähmt, solange nicht ein neuer Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt wurde. Der republikanische Abgeordnete Pete Sessions aus Texas hat am Abend im Interview bei CNN eingestanden, so viele, die diesen Job machen könnten, habe die Partei gar nicht. Kevin McCarthy werde nicht aufgeben, das betont er, wann immer er diese Frage gestellt bekommt, sowohl vor und nach dem Debakel der drei Niederlagen. In sein Büro wurden am Abend Familien-Pizzen geliefert. Es wird sicher viel telefoniert werden.
Am Dienstag erlebte Washington der Tragödie erster Teil, am Mittwoch folgt der zweite. Die Republikaner beweisen, dass eine Mehrheit zu haben und eine Mehrheit zu nutzen, zwei verschiedene Dinge sind. Doch wenn die Demokraten keine Mehrheit mehr im Parlament haben und die Republikaner sie nicht nutzen, steht das Repräsentantenhaus vor der Herausforderung, in den kommenden beiden Jahren ein reines Debattenhaus zu sein. Und wenn ein kleiner extremer Flügel der Partei jede Verhandlung verhindert, wird jede Gesetzes-Initiative zur Zerreißprobe für die Konservativen.
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Dabei geht es darum, dort Gesetze zu verabschieden, die das Leben der Menschen besser machen sollen. In den nächsten zwei Jahren wird das eine Herausforderung. Heute gab es darauf den Vorgeschmack.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de.