Skisprung-Legende exklusiv zur DSV-Krise

Martin Schmitt: Horngacher und sein Team "auf keinen Fall infrage stellen"

ARCHIV - 10.12.2017, Baden-Württemberg, Titisee-Neustadt: Skispringen, Weltcup: Der ehemalige Skispringer Martin Schmitt lacht nach dem Springen. Schmitt hat die Vergabe der Olympischen Winterspiele nach Peking scharf kritisiert. (Zu dpa: "Ex-Skispringer Schmitt zu Peking: Alles außer Kommerz «zweitrangig») (zu dpa: «Martin Schmitt prophezeit DSV-Springern schwere Aufgabe bei WM») Foto: Patrick Seeger/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Martin Schmitt gewann in seiner Karriere zweimal den Gesamtweltcup, zwei WM-Titel im Einzel sowie Team-Gold bei Olympia
dpa, Patrick Seeger

Die deutschen Skispringer stecken in einer Krise. Bei der Vierschanzentournee schaffte es kein DSV-Adler unter die Top 10 – ein historisch schlechtes Ergebnis. Skisprung-Legende Martin Schmitt sieht allerdings keinen Grund, deswegen Bundestrainer Stefan Horngacher abzusägen. „Man kann sich in Deutschland glücklich schätzen, einen so kompetenten Trainer wie Stefan Horngacher zu haben. Mit dem gesamten Trainerteam ist man sehr, sehr gut aufgestellt“, sagte Schmitt im Interview mit ntv.de.

Schmitt: "Schwer, während der Saison Fehler zu reparieren"

Horngacher arbeite hervorragend mit seinen Assistenten Bernhard Metzler und Michal Dolezal zusammen, so der 44-Jährige. „Da ist ganz viel Knowhow und dieses Team sollte man auf keinen Fall infrage stellen.“

Schmitt räumte ein, dass aufgrund der schwachen Saisonleistungen der deutschen Springer Druck auf dem Kessel sei. Das Trainerteam sei zwar „sehr gut“ darin, dem „einzelnen Sportler sehr gute Hilfestellung geben, wie er wieder in die Spur finden kann“ und wisse auch, „an welchen Schrauben sie drehen müssen“. Aber: Es sei schwer, „während der laufenden Saison Dinge zu reparieren“.

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Vorbild Kamil Stoch

Im Suchen und Abstellen der Fehler liege für Trainer und Athlet die große Herausforderung, sagte Schmitt. Skispringen sei ein „sehr feinfühliger“, ein „Hochpräzisionssport“, in dem man nichts erzwingen dürfe und in dem es bei den jeweiligen Athleten um Details gehe. „Die Schwierigkeiten haben ja ganz individuelle Ursachen. Es gibt nicht das eine große Problem, gegen das die deutsche Mannschaft anspringen muss. Es ist nicht fehlerhaftes Material, Probleme mit der Bindung oder ein bestimmter Fehler im Bewegungsablauf. Es sind individuelle Fehler, die sich manchmal verfestigen. Und wenn man im Skispringen merkt, dass es nicht einfach geht, wird es schwer.“

Als Vorbild für die deutschen Skispringer könne der dreimalige Tournee-Sieger Kamil Stoch dienen. Der Pole habe sich bei der diesjährigen Tournee „mit seiner momentanen Situation zufriedengegeben, nicht um den Sieg mitzuspringen, hat aber auf seinem momentanen Niveau weitergearbeitet und dieses stabilisiert“, analysierte Schmitt.

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"Gefährlich, in seine eigene Skisprung-DNA einzugreifen"

Der zweimalige Einzel-Weltmeister riet dringend davon ab, bei der Krisenbewältigung andere Nationen nachzuahmen – etwa den breiten H- oder Katamaran-Flugstil der Slowenen. „Es ist gefährlich, in seine eigene Skisprung-DNA einzugreifen, jeder hat ja einen ganz bestimmten Stil. Die Slowenen machen das seit Jahren so, es ist aber auch nicht so, dass sie seit Jahren das Skispringen dominieren. Wir haben auch herausragende Erfolge gesammelt, alleine im letzten Jahr. Es ist auch meistens einfach nicht nötig, alles über Bord zu werfen“, sagte Schmitt: „Man sollte es vermeiden, andere zu kopieren. Denn dann kopiert man in der Regel auch die Schwächen mit.“

Karl Geiger etwa sei im Vorjahr „viel präziser, technisch einfach besser gesprungen. Da muss er wieder hinkommen, an sein persönliches Optimum“, urteilte der Experte, der 2015 eine Trainerausbildung mit der Bestnote abgeschlossen hatte. Das gleiche gelte für Andreas Wellinger, mit Platz 11 bei der Vierschanzentournee noch bester Deutscher. „Das war okay, aber nicht allerhöchstes Niveau. Das ist das erste Ziel, dass jeder wieder mal kontinuierlich an sein persönliches Optimum herankommt.“

Bei Markus Eisenbichler, der kurzzeitig völlig von der Rolle war, sieht Schmitt derweil kein mentales Problem. „Er macht technisch viele Dinge einfach nicht gut, es fällt ihm alles schwer im Moment. Das sagt er auch selbst, wenn man mit ihm spricht. Ihm fehlt derzeit das Feingefühl, er hat nicht so den Zugriff auf seinen Bewegungsablauf.“ Dem Bayer riet Schmitt zu einer ruhigen Trainingsphase, in der Eisenbichler „die Sicherheit für seinen Bewegungsablauf findet und die technischen Fehler abstellt. Er braucht Sprünge in Serie, wo der Absprung auf höchstem Niveau kommt.“

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WM in Planica "sehr, sehr schwere Aufgabe"

Die deutschen Aussichten bei der in sechs Wochen beginnenden WM in Planica (Slowenien) sind laut Schmitt nicht unbedingt rosig. Es sei „alles andere als ausgemacht, dass es in Planica was wird. Die Schanzen dort sind auch nicht die, wo man darauf hoffen kann, dass es beim deutschen Team von alleine läuft. Wenn es läuft, springt man auf allen Schanzen gut, aber diese sind unserer Mannschaft nicht gerade auf den Leib geschneidert. Es wird eine sehr, sehr schwere Aufgabe.“

Aber: „Wie ich das Team kenne, werden sie einen Schritt näher kommen an die Weltspitze. Und dann sollte auch mindestens eine Medaille rausspringen.“ (ntv.de/ter/mar)