Klartext reden "und nicht rumeiern".
Ski-Legende Markus Wasmaier schämt sich für Kanzler Olaf Scholz

Markus Wasmeier ist aufgewühlt. Der Krieg in der Ukraine, das Leid der Menschen, die er schon Jahre kennt, beschäftigt ihn seit Wochen und beinahe 24 Stunden am Tag. "Mein Telefon ist nach vier Stunden leer, es glüht", berichtet er. Immer wieder kommen Meldungen, "die dich betreffen", verbunden mit den Fragen, wie es denen geht, von denen er nichts hört: "Leben sie noch, leben sie nicht mehr? Das ist schon sehr belastend."
"Was der Scholz da macht, tut mir leid"
Wasmeier, Doppel-Olympiasieger 1994 in Lillehammer, ist keiner, der rumjammert. Er packt an. Er hilft mit aller Konsequenz und einer motivierten Schar von Unterstützern, wo er nur kann. Konsequent. Nur einer, findet er, ziehe nicht richtig mit. Der Bundeskanzler. "Was der Scholz da macht, tut mir leid, das ist beschämend. Ich schäme mich vor den Ukrainern, was da abgeht", sagt Wasmeier dem Sportinformationsdienst. Olaf Scholz solle Klartext reden "und nicht rumeiern".
Wasmeier kann sich die Kritik erlauben. Er ist seit mehr als einem Jahrzehnt im Thema. In seinem Freilandmuseum in Schliersee hat er 2009 auf Anregung einer ukrainischen Nachbarin ein Fest veranstaltet, bei dem Ukrainer "ihre Kultur, Tanz, Kleidung und Handwerk" präsentieren und ausleben konnten. "Daraus", berichtet er, "sind viele Freundschaften entstanden". Und wenn die Freunde um Hilfe riefen, hat der ehemalige Ski-Star nicht gezögert.
Wasmeier war seit Jahren immer wieder mal auf der 2014 annektierten Krim und im umkämpften Donbass unterwegs, er hat 20 Krankenwagen organisiert oder die Ausstattung für Krankensäle. Doch nun haben die Hilferufe eine völlig neue Dimension erreicht. Seit Russland den Krieg in der Ukraine angezettelt hat, haben Wasmeier und seine Helfer von der "Ukraine-Hilfe Schliersee" keine ruhige Minute mehr: "Da ist vieles auf uns zugekommen."
Die Hilfe ist keine Einbahnstraße

Lange nachgedacht hat Wasmeier nicht. "Bitte, bitte helft uns", hätten ihn die Freunde angefleht, "und dann fängst du an." Zweimal schon ist er mit 3,5 Tonnen gesammelten oder aus Spenden finanzierten Hilfsgütern selbst über die Slowakei in die Ukraine gefahren. Kurz hinter der Grenze übernehmen die Ukrainer die Logistik. Am "Dienstag oder Mittwoch" folgt ein Transport mit insgesamt 18 Tonnen, vor allem mit medizinischer Ausrüstung.
Die Hilfe ist keine Einbahnstraße. Schnell haben Wasmeier und die engagierten Unterstützer vom rührigen Verein "Wir helfen Menschen" 54 Personen aus dem "engsten Kreis" aus der Ukraine geholt, mittlerweile hat Schliersee insgesamt 200 Flüchtlinge aufgenommen. Sogar ein Bürgerbüro haben sie in der Gemeinde eingerichtet, um etwa Behördengänge oder die Wohnungssuche zu organisieren. Wasmeier hat selbst ein Ehepaar mit zwei Kindern bei sich untergebracht.
Was die Leute in Schliersee leisteten, wie sie teilweise "brennen", das, sagt Wasmeier, "macht mich schon stolz". Der gemeinsame Einsatz motiviert ihn, motiviert alle - und doch gebe es selbstverständlich "Höhen und Tiefen". Schließlich leiden sie alle mit. Die Frauen und Kinder aus der Ukraine seien verständlicherweise immer "total fertig", wenn sie aus der Heimat schlechte Nachrichten bekämen, sagt Wasmeier.
Die Ukrainer, "die kämpfen für uns"
Die Motivation ist dennoch ungebrochen. Zwölf bis 15 Stunden dauere es, bis die Hilfsgüter in der Ukraine an den Bestimmungsorten angekommen seien, sagt Wasmeier und berichtet glücklich: "Dann kriege ich auch immer Fotos", etwa von den belieferten Krankenhäusern. "Das Schönste" aber sei, wenn die Kinder zweimal, dreimal die Woche in seinem Museum zusammenkämen: "Wenn du siehst, wie die spielen und lachen, weißt du: alles richtig gemacht."
Jetzt müsste, wünscht sich Wasmeier, nur der Bundeskanzler endlich mal "klare Kante" zeigen - wie etwa Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die FDP-Verteidigungsexpertin, oder wie, "wer hätte das gedacht", Außenministerin Annalena Baerbock. Denn die Ukrainer, sagt Wasmeier, "die kämpfen für uns". (tno/sid)