Sie vergiftete Babys mit NarkosemittelnMarburg: Urteil im Frühchen-Prozess – lebenslang für Krankenschwester Elena W.!

Urteil im Marburger Frühchen-Prozess: Weil sie drei Babys mit Narkosemitteln vergiftet und absichtlich in Lebensgefahr gebracht hat, ist eine ehemalige Kinder-Krankenschwester zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht Marburg sprach Elena W. am Donnerstag unter anderem des versuchten Mordes, der gefährlichen Körperverletzung und der Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig. Es ist das Ende eines ebenso zähen wie aufwühlenden Prozesses – aber jetzt gibt es endlich Gerechtigkeit für die Eltern. RTL-Reporter Andreas Schopf war bei der Urteilsverkündung dabei.

Muskel-Erschlaffung, Herzstillstand: Elena W. verabreichte immer höhere Dosen

Der Prozess zog sich über Monate, das Gericht befragte Dutzende Zeugen. Der Fall ist komplex: Auf frischer Tat ertappt wurde niemand. Stattdessen ging es um Gutachten, Indizien – und die ließen viel Raum zur Interpretation.

Am Ende aber war das Gericht überzeugt: Während ihrer Nachtschichten, zwischen Dezember 2015 und Februar 2016, hat die 30-Jährige drei Säuglingen auf der Frühchen-Station der Marburger Uni-Klinik nicht-verordnete Beruhigungs- und Narkosemittel gegeben. Die Folge: erschlaffte Muskeln, Herzstillstand. Zwei Kinder überlebten – die kleine Leni aber, erst sieben Tage alt, starb.

Die Angeklagte schwieg zu den Vorwürfen. Der Prozess aber zeichnete das Bild einer Narzisstin, die Anerkennung suchte – und zu diesem Zweck auch vor drastischen Taten nicht zurückschreckte. Sie habe immer weitergemacht, immer höhere Dosen verabreicht – und dem Klinikpersonal nie gebeichtet, was mit den Frühchen, die in Lebensgefahr schwebten, nicht stimmte.

Frühchen absichtlich vergiftet: Geltungsbedürfnis als Motiv

ARCHIV - 05.02.2013, Berlin: Ein zu früh geborenes Baby liegt  in der Neonatologie in einem Inkubator. Im Prozess gegen eine frühere Krankenschwester, die mehreren Frühchen unerlaubt Medikamente verabreicht haben soll, wird vor dem Landgericht in Marburg am Donnerstag (28.11.2019) das Urteil erwartet. Foto: Britta Pedersen/zb/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Elena W. verabreichte Säuglingen nicht-verschriebene Narkosemittel, um als Retterin im Rampenlicht zu stehen.
ped;cse;rho, dpa, Britta Pedersen

Die Täterin: Elena W., heute 30, geboren in ein gutbürgerliches, leistungsorientiertes Elternhaus. Der Vater Arzt, die Mutter Betriebswirtin. Elena wollte erst Medizinerin werden, dann eine versierte Krankenschwester sein – im Kontrast dazu aber standen ihre Leistungen.

Sie war fleißig, konnte aber die Erwartungen ihrer Eltern nie erfüllen. Ihr Abi war zu schlecht, um ihrem Vater als Ärztin nachzufolgen. Sie konnte mit ihren Vorbildern intellektuell nicht mithalten, fühlte sich oft wie das fünfte Rad am Wagen.

Elena versuchte es als Krankenschwester, entschied sich bewusst für die Frühchen-Station in Marburg – hier hatte schon ihr Vater gearbeitet. Und der machte Elena immer wieder Druck: "Machst du schon die schwierigen Kinder?", soll er immer wieder gefragt haben. Mit dem Druck konnte die junge Frau offenbar nicht umgehen.

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Ex-Krankenschwester Elena W. wollte sich als Baby-Retterin inszenieren

Elena W. war überzeugt, sich auf perfide Art ins Rampenlicht bringen zu müssen – sie wollte als gute Krankenschwester dastehen, indem sie die Kinder erst in Lebensgefahr versetzte und dann reanimierte. Das Gericht bescheinigte Elena W. "narzisstische Grundzüge" und ein starkes Geltungsbedürfnis. Sie habe Aufmerksamkeit gesucht – und wie hätte sie sich besser bei Eltern, Kollegen und Angehörigen profilieren können als mit geglückten Rettungs-Dramen?

Als das Urteil verkündet wird, wirkt Elena W. schockiert. Sie hat Tränen in den Augen, schüttelt den Kopf. Versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung – das verdiene lebenslange Haft. Ihre Angehörigen, die mit im Gerichtssaal sind, raunen, der Richter müsse sich das alles ausgedacht haben. Die Staatsanwaltschaft hatte zwölf Jahre Haft gefordert, die Verteidigung Freispruch.

Bei den Eltern der Opfer hingegen mischt sich in die Trauer ein Moment der Erleichterung. Sie sind glücklich über das Urteil – Gerechtigkeit für ihre Babys. Endlich. Auch sie kämpfen mit den Tränen.

Mutter der toten Leni: "Wir sind unendlich froh, dass sie hinter Gitter muss"

Marburg: Urteil im Frühchen-Prozess - lebenslang für Krankenschwester!
Für die Angehörigen der Opfer ist das Urteil eine Erleichterung.
Andreas Schopf, RTL

Genugtuung ist es vor allem für die Eltern der kleinen Leni: Sie war erst eine Woche alt, als sie Elena W. zum Opfer fiel. Nach einer fatalen Dosis Beruhigungsmittel konnte Leni zwar zunächst reanimiert werden – doch vier Tage später starb die Neugeborene dann in den Armen ihrer Mutter. Todesursache: Lungenversagen. Die Eltern entscheiden sich damals gegen eine Obduktion. Sie konnten nicht ahnen, dass ihr Kind zwei Monate später exhumiert werden würde.

Jetzt ist Lenis Mutter erleichtert. "Wir haben mit einem milderen Urteil gerechnet", sagt sie unserem Reporter abseits der Kamera. "Wir sind unfassbar froh, wie es jetzt gekommen ist." Zwar habe das Gericht Lenis Tod nicht als versuchten Mord gewertet – weil man Elena W. in diesem Einzelfall keine eindeutige Tötungsabsicht nachweisen konnte. "Aber wir wissen, dass Leni an dem Medikament gestorben ist. Und wir sind unendlich froh, dass diese Frau lebenslang hinter Gitter muss."