Neues Gutachten schürt Zweifel an UmweltverträglichkeitLNG-Terminal in Wilhelmshaven: Tonnenweise Chlor landen im Wattenmeer

ARCHIV - 15.12.2022, Niedersachsen, Hooksiel: Das Spezialschiff «Höegh Esperanza» erreicht in der Abendsonne den neuen Anleger für das LNG-Terminal im Jadebusen. Ein von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Auftrag gegebenes Gutachten stellt die von den niedersächsischen Behörden genehmigte dauerhafte Biozid-Einleitung am LNG-Terminal in Wilhelmshaven in Frage. (zu dpa: «Umwelthilfe-Gutachten stellt Biozid-Einsatz am LNG-Terminal in Frage») Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
LNG-Terminalschiff Höegh Esperanza - wie umweltschädlich ist das Verfahren?
hcd len mre, dpa, Hauke-Christian Dittrich

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlicht am heutigen Donnerstag (9.2.) ein neues Gutachten über die Einleitung von Chlor ins Meer durch das LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Schon länger sorgt das Verfahren zur Umwandlung von Flüssiggas für Streit zwischen Umweltschützern, Betreibern und Politik. Laut des DUH-Gutachtens ist die aktuelle Vorgehensweise nicht „auf dem neusten Stand der Technik“ und verstoße sogar gegen gesetzliche Vorgaben, wie sich das Umweltministerium und der Betreiber UNIPER dazu äußern.
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Wie viel Chlor ist zu viel?

Die Umwelthilfe und andere Umweltschutzverbände sowie Anwohner und Muschelfischer kritisieren, dass mit Chlor behandelte Abwässer von dem Terminalschiff Höegh Esperanza in die Jade geleitet werden. Sie fürchten: Wenn kontinuierlich chlorhaltige Abwässer abgeleitet werden, könnte das Natur und Lebewesen im angrenzenden Wattenmeer auf Dauer schädigen. Der Betreiber Uniper führt dagegen an, dass dieser „Biozid“-Einsatz notwendig sei und dem „Stand der Technik“ entspreche.

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Was sagt das Gutachten? Ultraschall statt Chlor empfohlen

ARCHIV - 15.12.2022, Niedersachsen, Hooksiel: Das Spezialschiff «Höegh Esperanza» wird in Wilhelmshaven angelegt. Es dient als schwimmende Plattform, um Flüssigerdgas (LNG) anzulanden und zu regasifizieren. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat Widerspruch gegen die Betriebsgenehmigung für das Terminal eingelegt. (zu dpa: "Umwelthilfe legt Widerspruch gegen LNG-Terminal in Wilhelmshaven ein") Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die schwimmende LNG-Unit Höegh Esperanza wandelt Flüssiggas um. Damit die Rohre freibleiben, wird Chlor verwendet.
ssd alf xma cul len geo, dpa, Sina Schuldt

Rohrleitungen auf dem Schiff müssen mit Chlor freigehalten werden. „Bei dem Verfahren wird das Chlor mittels Elektrolyse aus dem im entnommenen Seewasser natürlich enthaltenen Salz erzeugt. Das Seewasser wird dann durch die verschiedenen Seewassersysteme des Schiffs geleitet und in die Jade zurückgeführt“, erklärt Uniper in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber RTL.

Genau dieses Verfahren ist aber laut Deutscher Umwelthilfe nicht mehr zeitgemäß: „Obwohl es seit über 20 Jahren nicht mehr empfohlen wird, arbeitet das LNG-Terminalschiff Höegh Esperanza weiter mit der umweltschädlichen Elektrochlorierung im Dauerbetrieb. Dass die Verwendung anderer, umweltverträglicherer Methoden hier nicht einmal geprüft wurde, ist ein großes Versäumnis der Genehmigungsbehörden.“

Außerdem sei das Verfahren weder mit nationalen Gesetzen noch mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie vereinbar. Man empfehle auf eine sogenannte „Stoßchlorung“ umzustellen - also nur dann Chlor einzusetzen, wenn der Bewuchsdruck von Algen und Muscheln das erfordert. Langfristig, so das Gutachten, sollte statt des Chlors ein umweltfreundliches Reinigungsverfahren - etwa auf Utraschall-Basis – eingesetzt werden.

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Warum in Wilhelmshaven nicht möglich, was woanders angeblich bereits funktioniert?

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Wichtiges Gas kommt durch diese Pipelines in Wilhelmshaven
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Zu dem Sachverhalt befragt, antwortet Uniper, dass man das zitierte Gutachten der DUH nicht kenne. Jedoch versichert man: „Auf Grundlage der Erkenntnisse von Uniper, dem geltenden Normen und Regelwerk folgend und auch nach Auffassung der zuständigen Genehmigungsbehörde (...), ist die kontinuierliche Elektrochlorierung eindeutig als bestverfügbarer Stand der Technik (...) anzusehen.“ Alternativen wären aktuell nicht auf der Höegh Esperanza einsetzbar. Uniper teilte aber auch mit, man sei dazu zusammen mit der Reederei Höegh in Gesprächen mit Herstellern und Experten.

Zu diesem Aspekt schreibt die Deutsche Umwelthilfe:

„Weder Uniper noch das zuständige Umweltministerium haben bisher öffentlich dargelegt, wieso das eingesetzte Verfahren alternativlos sei (...). Auch in den Niederlanden nutzt man lediglich eine Stoßchlorierung, die weniger umweltschädlich ist. Wieso das ausgerechnet in Wilhelmshaven alles gar nicht möglich sein soll, wird bisher nicht ersichtlich.“

2027 könnte das Chlorproblem gelöst werden - dank grünem LNG

Das Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz teilt RTL schriftlich mit, dass der Betrieb der neuen LNG-Terminals nur bis 2043 befristet ist. Je schneller jedoch der Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Energieeinsparung von fossilen Energien geschaffen werde, desto eher könne man auch aus Klimaschutzgründen auf den Import fossiler Gase verzichten.

„Die beiden schwimmenden Terminals in Wilhelmshaven und Stade sind auch nur für fünf bzw. zehn Jahre gechartert. Klar ist auch, dass wenn das in Wilhelmshaven für 2026/2027 geplante feste Landterminal für grünes LNG fertig ist, die schwimmenden Regasifizierungsstationen nicht mehr gebraucht werden.“

Eine, wie von der DUH empfohlene, Stoßchlorierung zu überprüfen, sei aktuell auch Gegenstand der Auflagen an die Betreiber Uniper. Bis August 2023 müsse ein Konzept zur Minimierung des Biozideinsatzes (Chlor) vorlegen. Damit wären die Forderungen der Deutschen Umwelthilfe bereits in der Umsetzung.

Umweltschützer prüfen Klage - Gefahr für Umwelt und Mensch?

Die entstehenden Schäden wären bislang unterschätzt worden, so die DUH. Auf RTL-Anfrage schreibt man dazu: „Es ist deshalb wichtig, dass die Effekte auf die Meeresumwelt kontinuierlich überwacht werden – auch, damit toxische Substanzen nicht letztendlich beim Käufer von Fischprodukten landen. Sobald die Biozid-Einleitung eingestellt oder verringert wird wird sich auch die Natur erholen können. Wir prüfen weiterhin rechtliche Schritte, sollte die Verschmutzung der Jade unvermindert weitergehen wie bisher.“

Innerhalb weniger Monate war das erste LNG-Terminal in Wilhelmshaven genehmigt, gebaut und in Betrieb gegangen. Grund dafür ist der Ukraine-Krieg und die eingestellten Gas-Lieferungen aus Russland. Mit dem Flüssiggas der LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin sieht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Energieversorgung für den nächsten Winter als besser gesichert. (dpa/lsi)