Bittere Erkenntnis für Klosterhalfen

Sorgen um deutsches Laufwunder: Krafteinbruch löst Koko-Drama aus

dpatopbilder - 20.07.2022, USA, Eugene: Leichtathletik: Weltmeisterschaft, 5000 Meter, Frauen, Qualifikation: Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) aus Deutschland in Aktion. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Konstanze Klosterhalfen dachte beim 5000-Meter-Finale über das Aufgeben nach.
hjb, dpa, Michael Kappeler
von Emmanuel Schneider

Sie gilt als deutsches Laufwunder, mindestens das größte Talent seit Jahrzehnten. Doch beim Halbfinale des 5.000-Meter-Laufs der Leichtathletik-WM in den USA verlassen Konstanze Klosterhalfen plötzlich die Kräfte. Der WM-Traum platzt mitten im Rennen brutal. Doch es besteht noch Hoffnung für diesen Sommer.

Tränen bei Klosterhalfen

Das erste Heimspiel, der erste Höhepunkt des Lauf-Jahres endet für Konstanze Klosterhalfen auf bitterste Art und Weise. Bei der Weltmeisterschaft in Eugene geht die 25-Jährige nach ihrem Comeback als (zumindest kleine) deutsche Medaillenhoffnung an den Start. Doch Klosterhalfen scheitert schon im Hitze-Halbfinale. Ausgerechnet hier. Seit Jahren lebt und trainiert die Sportlerin aus Königswinter in Oregon. Sie kennt diese Ecke Amerikas gut, auch das Hayward Field Stadion. Nur 90 Minuten brauchte die Athletin mit dem Auto zum Austragungsort.

Und im Rennen geht es eigentlich gut los. Klosterhalfen zieht vor den Augen von Familie und Freunden das Feld von vorne an. Mit langen Schritten macht das Lauf-Wunder Tempo. Doch drei Runden vor Ende gehen ihr die Kräfte aus. Es ist so, als wäre ein Stecker gezogen worden. Ihr Gesicht ist verzerrt, sie pumpt, kämpft. Runde für Runde wird sie von Konkurrentinnen eingeholt. Als 8. und in 15:17,78 Minuten kommt sie ins Ziel. Es reicht nicht fürs Finale. Es fehlen 17
Sekunden. Im Prinzip erlebte Klosterhalfen, was jeder Hobbyläufer kennt. Auf einmal sind die
Kräfte weg, man läuft gegen die Wand, das eben angeschlagene Tempo wirkt auf
einmal unmöglich und unerträglich zu halten. So hart und brutal wie leider auch
normal

Koko pulverisiert deutsche Rekorde

Im Interview nach dem Rennen kämpfte Klosterhalfen mit den Tränen. Das frühe Aus nahm sie sichtlich mit. „Ich glaube, es war die härteste Runde, die ich je gelaufen bin“, sagte sie. Zum ersten Mal habe sie daran gedacht, im Rennen auszusteigen. „Das habe ich schon ganz schön gemerkt. Ich bin froh, dass ich durchgelaufen bin“, sagte Klosterhalfen und rang sich zu einem Lächeln durch. Die bittere Erkenntnis: Es reicht aktuell noch nicht, um wieder ganz vorne
mitzukämpfen.

Denn da gehört und will sie wieder hin. Keine Frau in Deutschland ist die 5.000 Meter je schneller gelaufen als sie. In Deutschland ist sie über mehrere Distanzeneigentlich unbesiegbar. 2019 pulverisierte sie den deutschen 5000-Meter-Rekord.Die 14:26,76 Minuten sind ein Machtwort. Hinter den deutschen Rekorden über die 3.000 und 10.000 Meter steht ebenfalls ihr Name. Auch international ist Klosterhalfen eine Hausnummer. 2019 sprintete sie über die 5.000 Meter zur WM-
Bronzemedaille. Im Juni 2022 in Oslo lief sie bei einem Meeting zu einer 14:37,94, immerhin eine Top-10-Leistung in diesem Jahr.

Lesen Sie auch: Klosterhalfen regt Debatte über Gesundheit dünner Läuferinnen an

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Trainingsrückstand nach Corona-Infektion zu groß

Seit jeher trägt sie das Siegel „Medaillenhoffnung“, von denen der DLV auch nicht unbedingt massenweise gesegnet ist. Klosterhalfen ist ein Aushängeschild des Sports. Doch schon in den vergangenen Jahren kämpfte sich immer wieder mit Verletzungen. Im Juni, kurz nach dem hoffnungsvollen Auftritt in Oslo, folgte ein weiterer Rückschlag. Sie infizierte sich mit Corona. Zwei Wochen lang ging fast gar nichts, auch kein Training. Seit der Infektion nahm sie an keinem
offiziellen Wettkampf mehr teil. Die WM war das erste Rennen seit ihrer Erkrankung. Auch die 10.000 Meter bei der WM ließ sie aus, voller Fokus auf die kürzere Distanz. Der Trainingsrückstand ist offenbar noch zu groß. Schon vor der WM war klar: Klosterhalfen ist weniger Favoritin als eher eine Wundertüte. Zu ungewiss die Corona-Nachwehen. "Ich wusste nicht, wo ich stehe. Ich habe mich schon selbstbewusst gefühlt", sagte Klosterhalfen: "Aber so wie im Rennen habe ich mich noch nicht oft gefühlt." Sie hätte „gerne gezeigt, dass ich wieder zurück
bin".

Konstanze Klosterhalfen
Dieses Gesicht will Klosterhalfen dann endlich wieder nach einem Rennen zeigen - vielleicht schon bald in München.
deutsche presse agentur

Chance auf Wiedergutmachung steht an

Das Gute ist: Die WM ist nicht das einzige Highlight des Sommers, nicht mal das einzige Heimspiel für „Koko“. Mitte August steigen in München die Europameisterschaften. Wieder ein Heimspiel, wieder wird Klosterhalfen als Hoffnung an den Start gehen. Schon kurz nach ihrem Halbfinal-Aus kündigte sie eine Aufarbeitung des Eugene-Einbruchs an: "Wir müssen jetzt herausfinden, woran es lag. Im Moment kann ich es mir nicht erklären." Knapp vier Wochen
bleiben Zeit, an der Form zu arbeiten. Damit nicht vor dem Schlussspurt wieder die Kräfte ausgehen.