Kommentar zur Niedersachsen-Wahl

RTL-Politikchef Nikolaus Blome: Die Putin-Freunde feiern

Niedersachsen hat gewählt und die SPD bleibt die stärkste Kraft. Doch heimlicher Gewinner der Landtagswahl ist die AfD, die plötzlich dort zulegt, wo sie jahrelang schwach war. Für die Zukunft lässt das Übles ahnen, kommentiert RTL-Politikchef Nikolaus Blome. Weitere Einschätzungen sehen Sie im Video.
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Sterne stehen günstig für die AfD

Die Partei der Pessimisten und Putin-Freunde feiert in Niedersachsen ein handfestes Comeback. Wo sie immer ziemlich schwach war, erreicht die AfD jetzt deutlich mehr als zehn Prozent der Stimmen und verdoppelt sich nahezu. Das lässt nicht nur aus Sicht der Bundesregierung Übles für den Winter ahnen: Die AfD malt die Zukunft des Landes düsterer als alle anderen Parteien. Und hat Zulauf.

Die Wiederauferstehung in den bundesweiten Umfragen und jetzt in Niedersachsen gelang in weniger als drei Sommermonaten: Selten standen die Sterne alle auf einmal so günstig für die AfD. Die Zahl der Flüchtlinge ist so groß wie auf dem Höhepunkt von 2015/16. Die allermeisten kommen aus der Ukraine, sie fliehen vor dem Krieg. Es werden die ersten Turnhallen gesperrt.

Die Preise für Essen, Heizen und Fahren sind nach Kriegsbeginn in einer Form explodiert, die nur 70-Jährige aus eigenem Erwachsenenerleben kennen. Auch in der Mittelschicht machen sich Sorgen breit, die man dort sonst nicht kannte: dass am Monatsende schlichtweg das Geld nicht reicht, und man ans Ersparte muss. Solange man denn welches hat.

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Ein Konzept braucht die AfD nicht

In der Folge blicken die Menschen in Deutschland so pessimistisch wie seit Jahrzehnten nicht in ihre eigene und in die Zukunft ihres Landes. Und eine wachsende Zahl scheint empfänglicher als sonst für die einfachen Antworten: dass nur der Krieg enden müsse, damit alles wieder normal wird und man sein altes Leben zurückbekommt. Beziehungsweise: dass die Ukraine halt ein Fünftel ihres Territoriums abgeben soll und sich Deutschland nur aus dem Krieg heraushalten muss, damit das billige Gas wieder fließt und der Sprit 1,50 Euro kostet.

Hinzu treten der latente Anti-Amerikanismus in Deutschland und die notorische Russlandliebe vor allem in Ostdeutschland. In Summe kann die AfD sich alle diese Sorgen und Neigungen zu Nutze machen.

Die AfD ist das Fieberthermometer der Unzufriedenheit und der Angst. Ein schlüssiges, realistisches Programm, eigene Lösungen oder auch nur ein moralisches Rückgrat braucht sie offenbar nicht. Auf dem Wahlzettel in Niedersachsen landete jetzt einerseits der große diffuse Ärger über die ganze Misere – und eine Quittung für schlechtes Handwerk der Bundesregierung, noch schlechtere Kommunikation des Beschlossenen und mangelnde Führung des Bundeskanzlers. Es fehlt an Klarheit wie an Wärme.

Die Zeche für die Bundesregierung zahlt die FDP

Ministerpräsident Stephan Weil konnte die SPD mit seiner Beliebtheit und Bekanntheit vor einem Absturz bewahren, die Grünen zeichneten seit Sommer den Sinkflug ihres Spitzenpersonals nach, vor allem den von Wirtschaftsminister Robert Habeck, aber erzielen ihr bestes Ergebnis. Und die FDP wird böse gerupft, weil sie in der Bundesregierung ihre eigene Klientel nicht glücklich macht und die anderen wütend. Rot-Grün kann in Hannover aller Voraussicht nach weiter machen. Die Zeche für die Bundesregierung zahlt die FDP allein. Das wird die Ampel erschüttern.

Die Niedersachsenwahl war von Krieg und Krise weitaus stärker beherrscht als von den reinen Landesthemen. Sie war eine Bundestagswahl im Kleinen. Mit der AfD, die das Geschäft des Kreml betreibt, hat Wladimir Putin leider ziemlich gut abgeschnitten.

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