Koalition in Kiew beschlossen: Kann die Regierung nun die Krim-Proteste beruhigen?

Die neuen Machthaber in der Ukraine haben sich auf ein Regierungsbündnis geeinigt. Die Koalition 'Europäische Wahl' sei beschlossen worden, sagte Parlamentschef und Interimspräsident Alexander Turtschinow. Den Zusammenschluss stützen 250 Abgeordnete. Das Parlament hat 450 Sitze. Arseni Jazenjuk wurde zum Interims-Regierungschef gewählt.

Protest leaders Vitaly Klitschko (R) and Arseny Yatsenyuk (2nd R) speak during a session of the Parliament in Kiev February 27, 2014. Ukraine's parliament agreed on Thursday the country should be led by a coalition government and proposed former economy minister Yatseniuk to lead it as prime minister.   REUTERS/Konstantin Chernichkin (UKRAINE - Tags: POLITICS CIVIL UNREST PROFILE TPX IMAGES OF THE DAY)
Kann die Opposition um Jazenjuk und Klitschko die Lage auf der Krim beruhigen?

Der neue ukrainische Ministerpräsident stimmte seine Landsleute in einer Rede im Parlament auf "unpopuläre Entscheidungen" zur Bewältigung der Krise ein. Der 39-jährige treue Gefolgsmann der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ist eine Schlüsselfigur der Protestbewegung. Die Abstimmung über das neue Kabinett gilt als weiterer Schritt zu einer Beruhigung der Lage.

Inzwischen hat das auf einen Staatsbankrott zusteuernde Land den Internationalen Währungsfonds um Finanzhilfen gebeten. "Wir sind bereit, zu antworten und werden in den kommenden Tagen ein Untersuchungsteam nach Kiew schicken, um mit den Behörden erste Gespräche zu führen", sagte IWF-Chefin Christine Lagarde. Dadurch könne der IWF sich ein unabhängiges Urteil machen und überlegen, welche Auflagen der Ukraine im Gegenzug gemacht werden sollten. Man berate sich zugleich mit internationalen Partnern, wie der ehemaligen Sowjetrepublik in diesem "kritischen Moment ihrer Geschichte" am besten geholfen werden könne.

Der gestürzte Präsident Viktor Janukowitsch will sich offenbar am Freitag auf einer Pressekonferenz in Russland zu Wort melden. Das Treffen mit dem abgesetzten Staatsoberhaupt sei um 14.00 Uhr MEZ in der Stadt Rostow am Don geplant, meldeten russische Agenturen. Zuvor hatte Janukowitsch gesagt, er sei weiterhin Präsident der Ukraine. Der 63-Jährige war nach dem Machtwechsel geflüchtet.

Die Lage auf der Krim ist weiter heikel. Mehr als 10.000 Tataren demonstrierten gegen eine Abspaltung der Halbinsel von der Ukraine, rund 4.000 pro-russische Demonstranten machten dagegen Stimmung für eine engere Anbindung der Krim an Moskau.

Nato-Generalsekretär: Keine Hinweise auf Eingreifen Russlands

Bewaffnete Männer besetzten die Gebäude von Parlament und Regionalregierung auf der Krim. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf einen Anführer der Bevölkerungsgruppe der Krimtataren. Die Mehrheit der Krimbewohner sind ethnische Russen. Der Hafen Sewastopol beherbergt den Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte.

In der Stadt Simferopol hatte es heftige Zusammenstößen gegeben. Deutlich mehr als 10.000 Krimtataren demonstrierten gegen eine Abspaltung der Autonomen Krim-Republik, rund 4.000 prorussische Demonstranten machten Stimmung für eine engere Anbindung der Krim an Moskau. Sicherheitskräfte sprachen von mindestens 30 Verletzten durch Stein- und Flaschenwürfe.

Der Übergangspräsident der Ukraine, Alexander Turtschinow, rief zur Ruhe auf. Turtschinow sprach von "Kriminellen in Militärkleidung", die auf der Krim Gebäude besetzt halte. Er wies die Sicherheitskräfte an, alle Maßnahmen zu ergreifen, die für den Schutz der Bürger notwendig seien.

Die Nato hat nach Angaben von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen keine Hinweise auf ein Eingreifen Russlands in der Ukraine. Zur Alarmbereitschaft von Teilen der russischen Armee im Westen des Landes sagte Rasmussen: "Die Russen haben uns über das Manöver informiert und deutlich gemacht, dass es nichts zu tun hat mit den Ereignissen in der Ukraine." Es mache die Sache aber nicht einfacher, dass es ein zeitliches Zusammentreffen zwischen dem Manöver und den Ereignissen gebe, sagte Rasmussen. Die Ukraine werde jedoch jede russische Truppenbewegung außerhalb des Stützpunktes der Schwarzmeerflotte auf der Krim als Akt der Aggression ansehen, warnte Übergangspräsident Alexander Turtschinow.

Russland gewährt unterdessen dem abgesetzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Schutz auf seinem Territorium. Dem Hilfsgesuch des Politikers sei entsprochen worden, meldeten mehrere Agenturen. Die neuen Machthaber in Kiew haben Janukowitsch wegen des Vorwurfs des Massenmordes zur Fahndung ausgeschrieben.

US-Außenminister John Kerry hat Russland vor einer militärischen Intervention in der Ukraine gewarnt. Eine Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wäre ein schwerwiegender Fehler, sagte er. Russland habe sich wiederholt gegen ausländische Militärinterventionen etwa in Libyen oder Syrien ausgesprochen. Jetzt solle sich das Land an die eigenen Mahnungen halten.