Tabuthema und hohe DunkelzifferInzest-Vater in Wales verurteilt - so handhabt es Deutschland mit dem Verwandten-Sex

Es ist ein Thema, das die Gemüter erhitzt: Inzest. Gerade erst wurde ein Vater in Wales verurteilt, weil er eine einvernehmliche sexuelle Beziehung zu seiner Tochter pflegte. Recht oder Unrecht? Die Meinungen gehen weit auseinander. Wirft man einen Blick in deutsche Online-Foren sind die Spalten randvoll mit anonymen Geschichten. Häufig liest man von Liebe unter Geschwistern, von Hilferufen und Hilflosigkeit. In Deutschland ist Sex mit Verwandten zurzeit illegal. Doch es gibt auch Stimmen, die eine Entkriminalisierung fordern.
Im Netz finden offene Gespräche über Inzest statt
„Ich bin jetzt 15 und meine Schwester 14. Wir hatten schon immer ein sehr enges Verhältnis und nie irgendwelche Probleme miteinander“, schreibt ein Nutzer ins Forum „Beratung4Kids“. Alles habe in einem Ferienlager Ungarn drei Jahre vorher begonnen. Er und seine Schwester hätten sich wegen einer Fehlplanung ein Zimmer teilen müssen. Weil das Mädchen Heimweh gehabt habe, habe es im Bett des Bruders geschlafen. „Acht Wochen darauf haben wir das erste Mal miteinander geschlafen“, schreibt der Nutzer. Er bittet in dem Forum um Hilfe, denn immerhin sei Inzest ein Tabuthema – und in Deutschland verboten. Seine Eltern wüssten nichts von seinen Vorlieben.
In einem anderen Forum äußert sich ein User ähnlich. Er berichtet von einer intensiven Beziehung zu seiner Schwester, die er noch zu Uni-Zeiten pflegte. „Dort haben wir teils wie ein normales Pärchen gelebt und sind auch zusammen ausgegangen. Wir haben uns auch einen Spaß daraus gemacht andere Leute zu vera****en, dass wir verheiratet sind, weil wir den gleichen Namen haben“, schreibt er. Auch seine Cousine und sein Cousin seien lange ein Paar gewesen. Außerdem hätten sie in Foren Kontakt zu Gleichgesinnten gehabt und seien überrascht gewesen, wie viele es gebe.
Diplom-Psychologe Dirk Baumeier erklärt, wie es zu Inzest kommen kann

Zwei eng Verwandte, die miteinander schlafen: Ein Tabu in Deutschland. Hierzulande ist es verboten, wenn Kinder, Eltern, Großeltern oder Geschwister untereinander Geschlechtsverkehr haben. Das besagt der Paragraph 173 des Strafgesetzbuches. Gleiches gilt auch für Großbritannien und Wales, wo nun ein Vater wegen einvernehmlichen Inzests verurteilt wurde. Im Interview mit RTL erklärt Diplom-Psychologe Dr. Dirk Baumeier, weshalb es trotzdem immer wieder zu Fällen von Inzest kommt.
„Zwischen blutsverwandten Menschen besteht oftmals eine besonders innige Beziehung, da ja Gene geteilt werden. Wir spüren eine gewisse Ähnlichkeit zueinander und diese wiederum lässt uns wechselseitig sympathischer erscheinen“, erklärt er. Deshalb könne es vorkommen, dass unbewusst eine Anziehung zu jemandem entstehe, der sich später als Verwandter herausstelle.
„Auch in früheren Kulturen wurde über Inzest berichtet und mitunter wurden sogar Kinder in allzu gerader Linie gezeugt. Dennoch wurde die ‘Blutschande’ nahezu überall mit einem Tabu belegt“, erklärt Dr. Baumeier. „Legendär ist beispielsweise der altgriechische Ödipus, der unwissentlich seine Mutter heiratet. Als die Wahrheit ans Licht kommt, sticht er sich aus Verzweiflung die Augen aus und geht ins Exil.“ Heute werde oft argumentiert, dass durch Inzucht die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Erbkrankheiten massiv erhöht werde. „Das stimmt zwar, aber in den alten Hochkulturen wusste man noch nichts Genaueres über Humangenetik und sprach trotzdem entsprechende Verbote aus.“ Das spreche stark für eine soziale Komponente.
JuLis fordern Legalisierung von Inzest
Biologisch ist nachweisbar, dass es durch Inzucht zu einem häufigeren Auftreten von Behinderungen in den folgenden Generationen kommen kann. Aber was ist, wenn Inzest-Paare überhaupt keine Kinder bekommen? In einem Tweet aus dem Jahr 2020 forderten die „Jungen Liberalen“ eine Entkriminalisierung von Inzest. „Warum sollte Inzest mit einer Freiheits- oder Geldstrafe bestraft werden, wo es doch bei diesem ‘Verbrechen’ keine Opfer gibt“, heißt es in dem Beitrag. Dem folgen weitere Argumente: „Wenn zwei einwilligungsfähige Personen sich entschließen, Sex zu haben, dann kann man das verwerflich oder eklig finden, letztlich geht es Staat und Gesellschaft aber nichts an.“
Auf eine RTL-Anfrage, wie die jungen FDP-Mitglieder 2023 zu diesem Thema stehen, erhielten wir bislang keine Rückmeldung.
Ethikrat mit langer Einschätzung zu Inzest in Deutschland
Auch der Deutsche Ethikrat hat sich in einer langen Stellungnahme mit dem Thema Inzest beschäftigt. Auf RTL-Anfrage verwies Dr. Joachim Vetter, Leiter der Ethikrat-Geschäftsstelle in Berlin, auf besagten Text aus dem Jahr 2014. Darin wird die Frage aufgeworfen, inwiefern „die Befürchtung negativer Folgen für die Familie oder die Möglichkeit der Geburt von Kindern aus solchen Inzestbeziehungen ein strafrechtliches Verbot solcher Beziehungen“ rechtfertige. Man sei bei der Beantwortung der Frage zu keinem Ergebnis gekommen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass die Mehrheit „dem grundlegenden Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ein höheres Gewicht“ einräumen würde, als dem Familienschutz.