Recherchen decken Fake-Nummern und Telegram-Absprachen auf
Hunderte Jobgesuche ungeimpfter Pflegekräfte sind wohl größtenteils gefälscht

Echte Jobgesuche oder organisierte Fake-Anzeigen? In mehreren Lokalzeitungen häufen sich Stellengesuche von angeblich ungeimpften Pflegern und Pflegerinnen. Was auf den ersten Blick Sorge bereiten könnte, ist wohl zum Großteil gefälscht, wie Recherchen mehrerer Medienhäuser, darunter auch RTL, jetzt zeigen.
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Massen-Jobgesuche in mehreren Anzeigenblättern veröffentlicht
Ab dem 15. März darf ungeimpftes Pflegepersonal von Pflegeheimen oder Kliniken in Deutschland nicht mehr arbeiten – vor kurzem hat die Bundesregierung diese sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen. Kritiker der Maßnahme befürchten seitdem, dass sich der Fachkräftemangel in der Pflege deshalb noch einmal verschärfen könnte. Der Anzeigenteil mehrerer kleinerer Lokalzeitungen und Anzeigenblätter scheint diese Befürchtung zu bestätigen: Im „Oberlausitzer Kurier“ beispielsweise finden sich über 100 Gesuche von angeblichen Krankenschwestern und Krankenpflegern, die ab März eine neue Stelle suchen.
Doppelte Anzeigen, nicht vorhandene Anschlüsse und Fantasie-Handynummern
Auffällig: In jeder dieser Anzeigen wird betont, dass die jeweilige Person ungeimpft oder „C-Impfstofffrei“ sei. Die Recherchen von mehreren Medien, darunter t-online.de und der RBB und eigene RTL-Recherchen zeigen allerdings: Der Großteil dieser Anzeigen ist vermutlich gefälscht – und das Ganze eine gut orchestrierte Kampagne, um Stimmung gegen die Impfpflicht zu machen.
So berichtet RBB-Reporter Andreas Rausch, dass er stichprobenartig mehrere Handy- und Festnetznummern, die in den Gesuchen in der Bautzener Ausgabe des „Oberlausitzer Kurier“ angegeben waren, abtelefoniert habe. Das Ergebnis: Rausch führte nach eigenen Angaben kein einziges Gespräch. Stattdessen fand er doppelte Nummern, mehrere nicht vergebene Handynummern sowie offensichtliche Fantasie-Gebilde wie „0160 123456789“. „18 Annoncen habe ich stichprobenhaft durchtelefoniert, möglicherweise sind unter den anderen noch reale Fälle mit ernsten Nöten und Sorgen, ich habe leider unter denen, die ich willkürlich herausgepickt habe, kein Glück gehabt“, schreibt Rausch.
RTL-Recherche zeigt: Telefonnummern sind oftmals nicht vergeben
Auch RTL-Reporterin Clara Pfeffer hat versucht, einige der Pflegekräfte, die doch offensichtlich so dringend eine neue Stelle suchen, telefonisch zu erreichen. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Von 15 Stellengesuchen bestätigen gerade einmal zwei ungeimpfte Pflegekräfte, dass sie tatsächlich einen neuen Job suchen. Ganze sechs Telefonnummern sind nicht vergeben, sieben weitere sind – trotz dringender Jobsuche – nicht zu erreichen.
Auch im Dresdner Raum zeichnet sich ein ähnliches Bild. 13 Telefonnummern rufen wir an: vier Pflegekräfte bestätigen die Jobsuche. Eine Telefonnummer führt zu einem Unbeteiligtem, ganze acht sind nicht erreichbar.
Über Telegram zum Anzeigen-Fälschen verabredet?
Recherchen von t-online.de zeigen: Zumindest einige der Anzeigen wurden gezielt und koordiniert von Impfgegner-Gruppen geschaltet. Via Telegram wurde demnach in verschiedenen Gruppen dazu aufgerufen, Stellengesuche zu schalten, die aussehen sollen, als seien sie von ungeimpften Pflegekräften verfasst worden. Solche Aufrufe kursierten unter anderem in Telegram-Gruppen aus Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen.
Einige Zeitungen vermuten ebenfalls Betrug
Auch die Zeitungen selbst, in denen diese Anzeigen geschaltet wurden, sind teilweise schon misstrauisch geworden. So verzeichnete der „Fränkische Tag“ (Bamberg) mehr als 50 solcher Job-Anzeigen. „Diese Häufung von sich ähnelnden Inseraten ist ungewöhnlich. Das wirkte auf den ersten Blick fast wie abgesprochen“, sagte Gerhard Staudt, Teamleiter des Auftragsmanagements der Mediengruppe Oberfranken. Die Zeitung vermutet nach eigenen Angaben, dass der Anzeigenteil des Blattes „zu einem Feld der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung über die Impfpflicht geraten sein“ könnte.
Krankenhäuser fürchten schlecht umgesetzte Maßnahme
Wie viele Pflegekräfte tatsächlich erwägen, wegen der bald greifenden Impfpflicht ihren Beruf zu verlassen, ist unklar und wird wohl erst im März abzusehen sein. Unterdessen fürchten Krankenhäuser in Deutschland, dass die Maßnahme von Behörden und Gesundheitsämtern schlecht umgesetzt wird. Die Sorge ist, dass Politik und Behörden die ab 15. März geltende Impfpflicht im Gesundheitswesen nicht einheitlich umsetzen. Das sagte Roland Engehausen, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, der Deutschen Presse-Agentur. Denn das könnte den Wettbewerb der Krankenhäuser um das händeringend gesuchte Personal noch anheizen. (vdö)