Hilferuf aus Hessens Gerichten

200 Richter und Staatsanwälte fehlen: Woher kommt die Personalnot in der Justiz?

von Felix Breiner und Deborah Göpferich

In Hessens Gerichten stapelt sich die Arbeit. Der Grund? Es fehlen rund 200 Richter und Staatsanwälte. Verfahren dauern immer länger, teilweise mussten schon Häftlinge aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil gesetzliche Fristen abgelaufen sind. Die Richter und Staatsanwälte häufen Überstunden an. Der hessische Richterbund schlägt nun Alarm.

Belastung ist groß

Dr. Christine Schröder, Pressesprecherin des Richterbundes Hessen, zeigt sich im RTL-Interview besorgt über die immer weiter steigende Belastung für Richter und Staatsanwälte aufgrund der Personalnot: „Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die teilweise fünf oder mehr Überstunden pro Woche leisten. Die Belastung liegt seit über 10 Jahren bei deutlich über 100 Prozent bei den Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten.“ Besonders gravierend ist die Situation an den Landgerichten. Das Landgericht Darmstadt hat im vergangenen Monat bereits einen Brandbrief an das Justizministerium verfasst. Darin ist von einer Verlangsamung der Rechtspflege durch den Personalmangel die Rede. Allein am Landgericht Darmstadt fehlen rund 25 Richter.

Hessisches Aufbauprogramm löst Probleme nicht

Das Justizministerium reagiert auf die Vorwürfe und betont die vorausschauende Einstellungs- und Personalpolitik. Damit soll die zeitnahe Nachbesetzung von freien Stellen gewährleistet werden. Dafür gibt es seit 2014 auch ein Aufbauprogramm des hessischen Justizministeriums in Hessen. Dieses Aufbauprogramm soll neue Stellen schaffen und Stellenstreichungen rückgängig machen. Der Richterbund begrüßt dieses Programm zwar, die Lösung für das Problem ist es jedoch nicht.

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Kaum Bewerber, niedriges Gehalt

Die hessische Justiz hat, wie viele Branchen, mit dem Nachwuchs zu kämpfen. Dieser Mangel an Nachwuchs hat, laut Dr. Christine Schröder, einen eindeutigen Grund: „Der ist aus unserer Sicht darauf zurückzuführen, dass die Besoldung nicht konkurrenzfähig ist, im Vergleich zur freien Wirtschaft. Insbesondere im Rhein-Main-Gebiet klafft die Schere immer weiter auseinander. Hier zahlen die internationalen Wirtschaftskanzleien Berufseinsteigern, die oftmals qualifiziert sind, Einstiegsgehälter von 160 000 Euro. In der Justiz verdient ein Berufseinsteiger hingegen nur ein Drittel.“

Auch ist die hessische Justiz in Sachen Digitalisierung schlecht aufgestellt. Damit wird der Beruf gerade für Einsteiger noch unattraktiver. Eine Wende könnte der hessische Landeshaushalt bringen, der im Februar verabschiedet wird. Ob das Geld jedoch ausreicht, um frischen Wind in Hessens Gerichtssäle zu bringen, bleibt fraglich.