Ein Blick in das "geheime Zimmer" von Kurt-Werner Wichmann
Göhrde-Morde: Serienmörder sammelte "Trophäen"
von Friederike Gründken und Kim Umlauf
Es ist ein Serienmörder, der die Polizei Lüneburg auch noch lange nach seinem Tod im Jahr 1993 beschäftigt: Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann soll mindestens fünf Menschen ermordet haben. Und vermutlich war er dabei nicht allein.
Fünf Morde in kurzer Zeit
Im Sommer 1989 werden zwei Paare in der Göhrde, einem großen Waldgebiet in der Nähe von Lüneburg, brutal ermordet. Der Doppelmord erschüttert damals ganz Deutschland. Den Rekonstruktionen der Ermittler zufolge wird das zweite Paar am selben Tag getötet, als die Leichen der anderen Beiden gefunden werden und der Wald voller Polizisten ist. Obwohl das 43- Jährige männliche Opfer Bernd-Michael Köpping aus Hannover erschossen wird, bekommen die Beamten nichts von der Tat mit. Eine RTL-Reporterin spricht 1989 mit einem Polizisten vor Ort: „Das ist natürlich ein starkes Stück, dass es fast zu einer Begegnung hätte kommen können.“ Der Polizist antwortet: „Ja so sehen wir das auch."
Kurz danach verschwindet eine weitere Frau: Birgit Meier. Was die Polizei zu dem Zeitpunkt aber nicht ahnt: Alle Fälle hängen zusammen. Verantwortlich für die Taten – das ist heute klar – ist Kurt-Werner Wichmann.
Gegen Tote darf nicht ermittelt werden
Im Jahr 1993 begeht der 44-Jährige Lüneburger Suizid, als er wegen anderer Vorwürfe im Gefängnis sitzt. Gegen Tote, so will es das Gesetz, darf nicht ermittelt werden. Die Akte wird geschlossen. 28 Jahre später wird im Rahmen einer routinemäßigen Aufarbeitung des Falls die DNA von Wichmann in einem der Opfer-Autos nachgewiesen.
Dann werden, aufgrund privater Ermittlungen des Bruders der vermissten Birgit Meier, Ende 2017, die sterblichen Überreste der damals 41-Jährigen entdeckt - einbetoniert in der damaligen Garage des Friedhofgärtners. Die Ermittlungsbehörden gehen damals davon aus, dass sie auf dem Grundstück in Lüneburg noch weitere Leichen finden könnten. Im April 2018 folgt eine groß angelegte Durchsuchungsaktion.
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So tickt der Serientäter
Mehr als 400 Gegenstände werden sichergestellt, viele davon vergraben im Garten. Unter anderem Autoteile, Werkzeug oder Waffen, aber auch etliche Damenschuhe, Kleidung und Handtaschen. „Dann stellt sich die Frage, warum vergräbt man es im Garten und führt es nicht einer Mülltonne zu? Wir erhoffen uns, dass diese Handtaschen wieder erkannt werden“, sagt Kriminalhauptkommissar Thilo Speich.
Seit 2017 arbeitet er an dem Fall. „Wenn man in die Kindheit zurück geht, dann kann man feststellen, dass schon als Schulkind spezielle Auffälligkeiten existiert haben“, erzählt Speich. Im Inneren des Hauses hat besonders ein Raum die Ermittler interessiert: Das sogenannte "geheime Zimmer".
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Das "geheime Zimmer"
Hier hat der Serienmörder anscheinend alles gesammelt, was ihm wichtig war. Kaum jemand soll Zugang gehabt haben. Auch nicht seine damalige Ehefrau. „Das geheime Zimmer ist eigentlich nicht so geheim, wie es anmuten mag. Es ist ein ausgebauter Dachboden gewesen, der eine spezielle Tür hatte, die nach außen auch so wirkt als wäre sie schallisoliert, weil sie mit grünem Kunstleder bezogen war. Das ist aber nicht so gewesen“, erzählt der Kriminalhauptkommissar in Lüneburg.
Und auch die Mieterin, die später in das Haus zog, gruselte sich so sehr vor dem Ort, dass „sie diese Tür nicht weiter geöffnet und den Raum nicht für sich genutzt hat“, so Speich weiter.
Verbindungen zu anderen Morden
Die Polizei vermutet mittlerweile, dass Kurt-Werner Wichmann nicht alleine getötet hat. Jeden Tag, auch 33 Jahre nach den fünf Morden, beschäftigen sich sechs Ermittler der Polizeidirektion Lüneburg mit Wichmann und seinem möglichen Mittäter. Insgesamt 2050 alte Akten sind vollständig überprüft worden. Daraus haben sich 1.000 neue Spuren ergeben - diese müssen alle abgearbeitet werden. Thilo Speich verrät im RTL Nord-Interview: „Ganz konkret kann man sagen, dass wir aktuell mit der Polizei Osnabrück im Austausch sind, dort sind auch Fälle aufgetaucht oder in der Überprüfung (...). Nordrhein-Westfalen ist auch dabei, aber auch Bayern.“
Denn die Fahnder prüfen auch, ob der Friedhofsgärtnerfür weitere Vermisstenfälle, Tötungsdelikte oder Vergewaltigungen als Täter in Frage kommt. Diese Cold Case-Akte ist wohl noch lange nicht abgeschlossen.