Gegen Spendermangel

Forscher entwickeln Blut der Hoffnung

Blutgewinnung
Professorin Dr. Constanza Figueiredo und Professor Dr. Rainer Blasczyk mit Bioreaktoren zur Blutzellgewinnung in einem Labor des Instituts für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering.
KARIN KAISER, KARIN KAISER MHH

Es klingt wie aus einem Science-Fiction-Film: Weil es zu wenig gespendetes Blut gibt, entwickeln Forschende künstliches Blut aus genetisch umprogrammierten Körperzellen. Doch an der MHH wird genau das gerade Wirklichkeit.

„In vielen Regionen der Welt sind Blutkonserven jetzt schon Mangelware.“

28.02.2022, Thüringen, Erfurt: Ein Mann spendet Blut. Der Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Thüringen hat vor dem Ende der pandemischen Notlage zur Blutspende aufgerufen. Aktuell ist nach dessen Angaben die Versorgung zwar gesichert, aber mit dem Ende der Notlage am Donnerstag könne der Bedarf etwa wegen nachzuholender Operationen steigen. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bluttransfusionen gehören zu den häufigsten Eingriffen in Krankenhäusern, doch die Spenden fehlen.
msc, dpa, Martin Schutt

Bluttransfusionen gehören zu den häufigsten Eingriffen in Krankenhäusern. Allein in Deutschland werden täglich etwa 15.000 Blutspenden benötigt. Doch zu wenig Menschen spenden Blut. Das führt dazu, dass der Bedarf an Blutprodukten steigt, aber zu wenig Blutspenden nachkommen.

Dieses Problem will nun ein Team der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) lösen: Aus Stammzellen wollen sie durch eine bestimmte Methode Blutzellen herstellen und so Versorgungsengpässe beseitigen: „In vielen Regionen der Welt sind Blutkonserven jetzt schon Mangelware.“, so Professor Blasczyk. Er ist Teil des Projektes „Hemoforce“, das zunächst vier Jahre mit mehr als drei Millionen Euro gefördert wird.

Designerblut wäre verträglicher

PRODUKTION - 15.02.2022, Nordrhein-Westfalen, Hagen: Blutkonserven werden im Zentrallabor des DRK-Blutspendedienstes für Krankenhäuser und Praxen gefiltert und aufbereitet. Im nordrhein-westfälischen Gelsenkirchen fand am 29. Februar 1952 der wohl bundesweit erste offizielle Blutspendetermin des Deutschen Roten Kreuzes statt. (Zu dpa: "Grubenunglück als Startsignal - 70 Jahre Blutspenden in Deutschland" - Wiederholung vom 22.02.2022) Foto: Rolf Vennenbernd/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Blutkonserven werden im Klinikalltag benötigt.
ve lop, dpa, Rolf Vennenbernd

Ein Vorteil des künstlich hergestelltem Blut wäre außerdem, dass es besser verträglich wäre. Denn bei Transfusionen und Stammzelltransplantationen spielen die sogenannten Humanen Leukozyten Antigene (HLA) eine wichtige Rolle. Passen diese nicht zueinander, stößt das Immunsystem die Blutspenden ab. Momentan ist das noch ein großes Problem. Dazu kommt, dass konventionelle Blutspenden mögliche Krankheitserreger enthalten, da das Blut nicht auf alle Erreger untersucht werden kann.

Ein weiterer Aspekt ist die Lagerung: Bislang werden Blutkonserven und Zellprodukte in flüssigem Stickstoff tiefgefroren, um sie länger haltbar zu machen. Damit die Zellen das überstehen, wird den Blutkonserven unter anderem Glycerin beigemischt, das vor der Transfusion wieder entfernt werden muss.

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Das künstliche Blut soll all diese Probleme lösen

ARCHIV - ILLUSTRATION - In einem Labor eines deutschen Klinikums wird am 17.04.2013 mit einem Test die Verträglichkeit von Spender- und Patientenblut bestimmt. In einem Krankenhaus in Duderstadt (Niedersachsen) ist möglicherweise eine Patientin wegen verwechselter Blutkonserven gestorben. Foto: Sven Hoppe/dpa (zu lni "Tod im Klinikum - Falsche Blutkonserven Schuld?" vom 30.12.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Künstliches Blut soll gegen den Spendenmangel helfen.
dpa, Sven Hoppe

„Die Nachteile herkömmlicher Blutspenden erfordern es dringend, das Modell und die Strukturen der Blutversorgung neu zu gestalten“, betont der Transfusionsmediziner Professor Blasczyk. Das MHH-Team nutzt für die Bluterzeugung induzierte pluripotenten Stammzellen (IPSC). Das sind genetisch umprogrammierte Körperzellen, die sich wie embryonale Stammzellen in alle Gewebetypen entwickeln können. „Wir gewinnen die IPSC aus reprogrammierten Zellen eines Menschen mit Blutgruppe Null, die als ideale Spendergruppe keine AB0-Antigene trägt und daher für alle Empfänger gleichermaßen passt“, erklärt Professorin Dr. Constanca Figueiredo, Leitende Wissenschaftlerin am Institut und stellvertretende Projektleiterin.

Aus den Stammzellen stellt das Team sogenannte „neutrale“ Megakaryozyten her. Diese werden vom Immunsystem des Empfängers nicht mehr als fremd erkannt und somit können ungestört Blutplättchen produzieren werden, ohne dass der Körper Antikörper gegen sie bildet.

Bei Mäusen klappt es bereits

Dass der Ansatz funktioniert, hat das Forschungsteam bereits im Mausmodell nachgewiesen. „Bereits eine Stunde nach der Transfusion haben die Megakaryozyten-Zellen begonnen, sehr nachhaltig Thrombozyten zu bilden“, sagt Professorin Figueiredo. Das sollte beim Menschen ebenso gelingen, glauben die Forscher.

Seit etwa 30 Jahren arbeiten weltweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der künstlichen Herstellung von Blutprodukten. Eine Massenproduktion für die klinische Anwendung ist bislang jedoch noch nicht in Sicht. (mup)