Silberpfeil hoppelt und zickt nach wie vor

Rückschlag in Baku: Wolff kündigt "größeren Eingriff" an

von Jakob ter Smitten, Martin Armbruster und Felix Görner

Vor drei Wochen noch sah es so aus, als habe Mercedes das Gröbste hinter sich. Beim Großen Preis von Spanien fuhren die Silberpfeile auf einmal wieder Rundenzeiten, die die Formel-1-Konkurrenz aufhorchen ließen. In Monaco lag die Sache schon wieder anders und auch in Baku ist Mercedes nach den ersten Trainings-Eindrücken maximal dritte Kraft. Im RTL/ntv-Interview erläutert Teamchef Toto Wolff die Probleme des einstigen Seriensiegers.

Mercedes brütet überm Baku-Setup

Toto Wolff kommt leicht verspätet zu unserem virtuellen Interview. „Sorry, das technische Debrief hat länger gedauert. Ist ein bisschen unhöflich, aber wir haben über das Setup geredet“, sagt der Österreicher nach dem Freien Training in Baku dennoch gut gelaunt.

Ein langes Debrief, also eine ausführliche, datengestützte Nachlese der Trainings-Leistung, – das bedeutet: Mercedes rätselt, Mercedes (hinter-)fragt sich, Mercedes tüftelt. Denn zufriedenstellend waren die Ergebnisse der Silberpfeile zum Auftakt des Formel-1-Wochenendes in Baku nicht. Platz 7 – mehr war am Ende des Tages für George Russell nicht drin, Rekordchampion Lewis Hamilton wurde am Nachmittag hinter Sebastian Vettel gar nur Zwölfter.

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"Fahrer sagen, dass man kaum die Strecke sieht"

Im Mittelpunkt der Mercedes-Analyse einmal mehr: Das verflixte „Bouncing“, das Hoppeln der Autos auf den Geraden, das sich entlang der 2,2 km langen Vollgas-Passage Bakus als extrem herausstellte. „Die Fahrer sagen, dass man kaum die Strecke sieht“, berichtet Wolff.

Das Problem sei, „was die Rundenzeit angeht, total einschränkend“. Die Setup-Frage bei Mercedes, die Wolff und Co. so lange umtrieb: „Ist ein schnelles, hartes Auto besser für die Rundenzeit oder eines, das weniger bounced und mehr Vertrauen gibt.“

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Hoppel-Problem noch immer nicht gelöst

Dabei hatte man bei Mercedes nach dem vielversprechenden Wochenende in Barcelona gehofft, die Hoppel-Problematik durchschaut zu haben, die Russell und Hamilton das Leben in dieser Saison so schwer macht. „Heute sehen wir, dass es nicht so ist, die Probleme sind nicht gelöst und jetzt müssen wir die entscheidenden Schritte tun, dass wir dieses Problem nicht in die zweite Saisonhälfte mitnehmen oder gar ins nächste Jahr“, so der Silber-Häuptling.

Das Auto sei unglaublich schwer zu kontrollieren, sei zu „steif“, gebe den Fahrern kein Vertrauen, betont Wolff: „Es wirft dich ab, wenn du damit nicht vorsichtig umgehst“, sagt der Österreicher über die Tücken des W13. Doch nun das aber: „Wenn das Auto in einem Fenster ist, wie es in Barcelona war, dann haben die Fahrer gesagt: Unglaublich gut zu fahren, viel Downforce.“

Ein Potenzial, das auch die Konkurrenz sieht: Red-Bull-Berater Helmut Marko rechnet fest, dass Mercedes noch in den Zweikampf zwischen Red Bull und Ferrari eingreifen kann. „Dann wünsche ich mir zum ersten Mal seit zehn Jahren, dass der Helmut recht hat“, witzelt Wolff über seinen österreichischen „Intimfeind“.

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Wolff kündigt "größeren Eingriff an"

Das „richtige“ Fenster finden, in dem der Silberpfeil funktioniert, und dann möglichst dauerhaft in diesem Fenster bleiben: So lässt sich die Herausforderung für Mercedes im Jahr 2022 wohl zusammenfassen. Aufgegeben, so viel ist klar, hat die erfolgsverwöhnte Truppe aus Brackley um ihren „Leitwolff“ noch nicht. „Wir haben große Hoffnung, weil wir uns einfach sehr bewusst sind, was das Problem ist“, kommt der Teamchef auf das Bouncing zurück.

Die vielen kleinen Schritte, die Mercedes mittels einiger Updates getan habe, seien allerdings womöglich nicht genug, um die Hoppelei zu lösen. „Vielleicht braucht es einen größeren Eingriff“, kündigt Wolff eine potenzielle Generalüberholung an.

Es ist ein "bisschen kompliziert"

Wo aber liegt der Hund begraben? „Ich denke die schmalen Seitenkästen haben nichts mit unserem Problem zu tun“, setzt Wolff zu einem kurzen Screening des Silberpfeils an. „Ein breiteres Bodywork wird sicherlich hinsichtlich der Steifigkeit helfen, aber es ist nicht vorne notwendig, sondern hinten. Das muss man sich anschauen und alle anderen Themen wie Dämpfer, Federn, Aufhängungs-Kinematik, das ist ein bisschen kompliziert, aber all das muss man jetzt wirklich beleuchten.“

Ein „bisschen kompliziert“ ist gut – Mercedes hat nach wie vor einen Berg an Arbeit vor sich.