Ohne Rücksicht auf VerlusteMega-Plan der Formel 1 droht im Chaos zu enden

Vielleicht kann man es sich am besten so vorstellen: Sebastian Vettel und Co. nehmen Platz in einer Achterbahn, dürfen sich die ersten Meter der Strecke einprägen, dann wird eine Augenbinde angelegt – und los geht die wilde Fahrt im Blindflug. Nicht wissend, ob hoch oder runter, links oder rechts. Mit jeder Menge Ungewissheit startet nämlich die Formel 1 am Sonntag in Spa in ihre zweite Saisonhälfte. Ungewissheit darüber, wie viele Rennen es in diesem vermeintlichen Rekordjahr noch gibt. Und auch darüber, wo überhaupt gefahren wird.
Der Plan soll aufgehen, komme was wolle ...
„Wir versuchen, so viele wie möglich durchzuführen“, sagte Formel-1-Chef Stefano Domenicali, „und wir haben für alle Läufe einen Plan B, C und D. Aber die Lage ändert sich ständig.“ Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen ist Corona noch immer ein weltweites Problem, und zum anderen versucht die Formel 1 trotzdem einen Rekord zu brechen: 23 Rennen hatte man vor der Saison auf der ganzen Welt geplant, und 23 Rennen sollen es noch immer sein. So viele wie noch nie – komme, was wolle.
Es kam schon so einiges dazwischen. Die Rennen in China, Singapur, Australien, Kanada und Japan wurden abgesagt und bislang nur teilweise ersetzt. Angesichts der Corona-Situation wirkt auch die Austragung der WM-Läufe in der Türkei (3. Oktober), Mexiko (31. Oktober) und Brasilien (7. November) fraglich. Um der anvisierten Zahl von 23 Rennen möglichst nah zu kommen, könnte es am Ende zu einer Häufung von Events im arabischen Raum kommen, denn Europa ist aufgrund der Wetterunsicherheit im Herbst und Winter kaum noch eine Option.
Die Rennen in Saudi-Arabien (5. Dezember) und Abu Dhabi (12. Dezember) könnten erneut zu Doppelveranstaltungen werden, ein erneutes Gastspiel in Bahrain ist denkbar. Auch Katar mit der Strecke in Losail wurde zuletzt immer häufiger genannt.
Mitarbeiter der Teams kommen an die Belastungsgrenze

Dieses verbissene Festhalten an der Rekordzahl hat ausschließlich wirtschaftliche Gründe. „Zum Wohle des Unternehmens“, sagte Domenicali, zum Wohle der Formel 1 also, müssten „die Ziele in dieser Saison“ erreicht werden. Im Vorjahr waren nur 17 Rennen möglich, ohne Rennen kein Umsatz, vielen Teams drohe daher das finanzielle Aus. Und so dürfte weiter gewerkelt werden am Kalender. Ein Problem ist das weniger für Sebastian Vettel und seine Kollegen. Es sind die Mitarbeiter, die Teams hinter den Teams, die an ihre Belastungsgrenze kommen. Die immense Logistik der Königsklasse macht wochenlange Nachtschichten notwendig.
Beteiligte erzählen von Arbeitern, die „wie Zombies durch das Fahrerlager laufen“, vor allem, wenn die Formel 1 ihre Triple Header einstreut: Drei Rennen an drei Wochenenden. Die galten einst als Ausnahme, mittlerweile sind sie Standard. „Sie werden einfach so reingeworfen, weil der Kalender in ständiger Bewegung ist“, sagt etwa Teamchef Günther Steiner von Mick Schumachers Haas-Rennstall. Bislang war es in diesem Jahr ein Triple Header, vier weitere könnten bis Dezember folgen.
Schon der Start aus der Sommerpause ist übrigens der Beginn eines Dreierpacks. Nach Belgien folgen direkt die Rennen in den Niederlanden und in Italien. Immerhin bringt das etwas Planungssicherheit. (tno/sid)