Erinnerungen an Vettels "Multi-21"-Eklat

Unverständlicher Ego-Trip: Verstappen lässt Perez hängen - und macht Red Bull rund

 11 Sergio Perez MEX, Oracle Red Bull Racing, 1 Max Verstappen NLD, Oracle Red Bull Racing, F1 Grand Prix of Brazil at Autodromo Jose Carlos Pace on November 11, 2022 in Sao Paulo, Brazil. Photo by HOCH ZWEI Sao Paulo Brazil *** 11 Sergio Perez MEX, Oracle Red Bull Racing , 1 Max Verstappen NLD, Oracle Red Bull Racing , F1 Grand Prix of Brazil at Autodromo Jose Carlos Pace on November 11, 2022 in Sao Paulo, Brazil Photo by HOCH ZWEI Sao Paulo Brazil
Max Verstappen verweigerte seinem Teamkollegen Sergio Perez in Brasilien Hilfe, als dieser sie brauchte
Imago Sportfotodienst
von Martin Armbruster

Max Verstappen steht seit Wochen als Formel-1-Weltmeister fest, fährt beim Sao-Paulo-GP in Brasilien eigentlich nur noch für die Galerie. Eigentlich aber gibt’s in der Welt des Holländers nicht. Statt seinem treuen Stallkollegen Sergio Perez im Kampf um den Vizemeister-Titel zu helfen, macht Verstappen vor aller Welt seinen Machtanspruch deutlich und sein Red-Bull-Team rund. Ein „Move“, der an den jungen Sebastian Vettel erinnert. Allerdings hinkt der Vergleich.

Perez gab einst sein letztes Hemd für Verstappen

Formel-1-Saisonfinale 2021, Yas Marina Circuit, Abu Dhabi. Max Verstappen sieht im Kampf um die WM-Krone gegen Lewis Hamilton kaum Land, fällt im Red Bull Runde um Runde zurück, kann die Pace des Mercedes-Piloten nicht mitgehen. Gut, dass es Sergio Perez gibt.

Der Mexikaner ist noch nicht in beim Boxenstopp gewesen, soll Hamilton nun aufhalten, um Verstappen zurück ins Spiel zu bringen. Perez erfüllt seinen Auftrag – und wie. Auf durchgenudelten Reifen gibt „Checo“ sein letztes Hemd. Rundenlang blockt er Hamilton ab. Es sind haarige Szenen, Rad-an-Rad-Duelle auf höchstem Niveau. Dank Perez kommt Verstappen wieder an seinen Mercedes-Rivalen heran.

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„Checo is an absolute legend“ („Checo ist eine absolute Legende“), funkt der Niederländer begeistert durch. „Absolute animal“ („Ein echtes Tier“), lobt auch der Kommandostand der „Bullen“. Seinen ersten Titel gewinnt Verstappen letztlich zwar nicht wegen Perez, sondern wegen der umstrittenen Safety-Car-Regieführung des damaligen Rennleiters Michael Masi. Und doch: „Checos“ aufopferungsvollen Fight wird Verstappen seiner Lebtag nicht vergessen – sollte man meinen!

"Sind wir da klar?!"

Gut ein Jahr nach Abu Dhabi 2021 stellt Verstappen beim Sao-Paulo-GP sein Racer-Ego knallhart zur Schau. In der Schlussphase ignoriert der 25-Jährige die Ansage seines Teams, Perez doch bitte Rang 6 (!) zu überlassen, um diesen mit einem Vorsprung auf Ferrari-Kontrahent Charles Leclerc zum Finale nach (logo) Abu Dhabi zu schicken. Immerhin geht es für Perez noch um die Vize-Weltmeisterschaft und für Red Bull ums Prestige. Ein Doppelsieg in der Fahrer-WM – es wäre neben dem Konstrukteurs-Titel das i-Tüpfelchen auf die erfolgreichste Saison in der Geschichte des Rennstalls.

Formel-1-Tabelle: Der Stand in der Fahrer-WM

Stattdessen hängt der Haussegen bei den „Bullen“ jetzt schief. Denn Verstappen hat sich dem Wunsch des Teams nicht nur widersetzt. Er hat das Team vor aller Welt abgekanzelt. „Ich habe den Jungs letzten Sommer schon gesagt, dass ihr mich das nicht wieder fragen sollt. Sind wir da klar?! Ich habe euch meine Gründe dargelegt und zu denen stehe ich“, funkte Verstappen hörbar unwirsch. Tenor: Was fällt euch überhaupt ein? Ich bin hier der Chef – Buff!

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Erinnerungen an Vettel und Webber

Junge Alpha-Tiere, die dem Kommandostand nicht folgen, haben bei Red Bull offenbar Tradition. Unvergessen, wie Sebastian Vettel 2013 in Malaysia auf die Teamorder „Multi 21“ (Positionen halten) pfiff und sich an seinem verdutzten Garagen-Nachbarn Mark Webber vorbei presste.

„Unterm Strich war ich schneller, habe überholt, habe gewonnen“, sagte Vettel später kühl. Der Anwalt des Deutschen meldete sich gar bei Red Bull, um dem Team klarzumachen, dass der Arbeitsvertrag seines Klienten nicht vorsehe, hinter Webber herzutuckern.

Der Unterschied zwischen dem „Multi-21“-Eklat und Verstappens Brasilien-Ignoranz: Der Malyasia-GP war damals das zweite Saisonrennen. Vettel, der 2010 und 2012 jeweils nur hauchdünn die WM gewonnen hatte, wusste, dass jeder Punkt zählt. Für Verstappen ging es in Sao Paulo dagegen um gar nichts.

"Er hat gezeigt, wer er wirklich ist"

Umso unverständlicher ist der Ego-Trip Verstappens, das Nicht-Revanchieren bei Perez. „Ich hätte gedacht, da wäre heute Payback-Time gewesen“, wunderte sich nicht nur F1-Experte Ralf Schumacher bei RTL. Verstappens Macht im Team, sein Image des Fahrers, der nie nachgibt –, all das hätte nicht im Mindesten Risse bekommen, wäre der Weltmeister in Interlagos kurz mal rechts ran gefahren. Im Gegenteil: Verstappen hätte sich als Teamplayer zeigen können. Und das nicht nur Perez gegenüber. Auch die Mechaniker, die 22 Mal im Jahr in der Holzklasse um die Welt fliegen, sich im Hotel die Zimmer teilen, die unermüdlich ackern. Auch sie hätten sich gefreut.

„Wenn er meine Hilfe braucht in Abu Dhabi, dann werde ich das machen“, beschwichtigte der Niederländer nach dem Rennen, machte aber eine nebulöse Andeutung. Es sei „etwas vorgefallen“. Nur was nur? Perez hat sich auch in dieser Saison nichts zu Schulden kommen lassen. Und dass Red Bull Verstappen je benachteiligt hätte, wäre neu.

Teamchef Christian Horner war nach dem Sao-Paulo-GP jedenfalls bemüht, als Herr der Lage zu wirken. „Unser Ziel für Abu Dhabi ist, dass ‚Checo‘ Platz 2 in der Fahrerwertung bekommt. Ich bin sicher, in Abu Dhabi wird Max alles tun, damit Sergio das schafft.“

Und Perez? Der hatte schon bei Zieldurchfahrt einen kurzen Funkspruch über Max Verstappen abgesetzt: „Es zeigt, wer er wirklich ist.“