Verstappen hat den Titel verdient
Jung, wild, Weltmeister
Von Emmanuel Schneider
Es war seine Saison, auch wenn es am Ende nochmal richtig eng wurde und sogar an den grünen Tisch ging. Max Verstappen feiert mit 24 Jahren seinen ersten WM-Titel. Der Red-Bull-Pilot ist derjenige, der die lebende Legende Lewis Hamilton vom Thron gestoßen hat (mehr oben im Video). Chapeau!
Defensive? Das ist nicht Verstappens Art
Nein, verbogen hat er sich nicht. „Ein defensiver Verstappen ist kein Verstappen“, hatte RB-Berater Helmut Marko jüngst im RTL-Interview gesagt. Und wenn der Niederländer für irgendetwas nicht steht, dann ist es eine defensive Fahrweise.
Man muss es ihm tatsächlich anrechnen: Verstappen ist sich treu geblieben. Er hielt stets dagegen, ging ans Limit, ab und an auch mal darüber hinaus. Aus diesem Holz sind eben Champions geschnitzt. Die Belohnung: der ersehnte erste Titel für Verstappen – und der Bullen seit acht Jahren. 2013 bejubelte das Team aus Österreich letztmalig den Titel, es war der vierte von Sebastian Vettel. Dann begann die Hybrid-Ära und Red Bull hechelte plötzlich hinterher. Statt Bullen-Dominanz gab’s die Silberpfeil-Übermacht. Seit 2014 holte stets ein Mercedes-Mann (bis auf 2016 immer Hamilton) die WM-Krone. Dieser Serie hat Verstappen nun ein Ende bereitet. Viele Fans bejubeln den Machtwechsel wie die Abwahl eines Politikers, der zu lange das Sagen hatte.
Verstappen hat es auf seine Weise getan. Nach etlichen Jahren zauberte Red Bull Racing mit dem RB16B einen weltmeisterlichen Renner hin. Der Rennstall hatte geliefert, die Vorlage gegeben. Verstappen musste verwandeln. Das tat er. Konstant von März bis Dezember. Und nun war das, um im Bild zu bleiben, kein Elfmeter, eher ein anspruchsvoller Freistoß aus 30 Metern, von der Seite. Denn trotz des verbesserten Wagens, Mercedes hatte die Unterboden-Änderung im Reglement verschlafen, kämpfte Verstappen gegen den besten Fahrer der aktuellen Generation. Es war ein epischer Zweikampf. Mal lag der abgezockte Routinier vorn, mal der junge Herausforderer.
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Nach Rückschlägen zurückgekommen
Hamilton mag nicht so aggressiv fahren wie Verstappen. Er ist allerdings immer noch ein siebenmaliger Champion. Seit 2007 dabei und dermaßen erfahren, dass ihn so schnell nichts verunsichert.
Doch Verstappen nahm von Anfang den Zweikampf an und spielte konsequent seine Karte. Immer drauf. Wenn es nicht ab und an kracht, verbal wie auf der Strecke, ist’s auch nicht Verstappen. Nicht zu vergessen: Er musste auch einige Tiefschläge, wie den Silverstone-Abschuss durch den Erzrivalen, das Bottas-Bowling in Ungarn oder den Reifenplatzer in Baku überstehen. In den letzten Rennen wirkte es so, als kämen Verstappens Nerven doch ziemlich ins Flattern. Zumindest im Finale hatte er sie beruhigt.
Vor dem Finale tönte Verstappen in Richtung Hamilton: Im Mercedes wäre ich schon lange Weltmeister gewesen. Dick aufgetragen und leicht arrogant? Ja, aber vermutlich steckte in den Aussagen mehr als ein Funken Wahrheit.
Dieser Mix ist einzigartig
Das Selbstbewusstsein, das Talent und der Ehrgeiz von Verstappen sind in dieser Form extrem selten. Nur alle paar Jahre (oder Jahrzehnte) werden diese Eigenschaften von einigen wenigen Ausnahmetalenten vereint. Der Niederländer ist so ein Ausnahmetalent. Wenn er nicht übers Limit geht wie teilweise in Saudi-Arabien, dann ist er gepaart mit diesem Auto kaum zu schlagen.
Die besten Tage von Verstappen stehen womöglich erst noch bevor. Wer weiß, vielleicht prägt er nun eine Ära wie Hamilton vor ihm. War das also der Renten-Schubser für Hamilton? Gut möglich.
Und für alle deutschen Fans hatte der Premierentitel des Piloten aus dem Nachbarland auch etwas Versöhnliches. Der Rekord von Michael Schumacher bleibt vorerst bestehen. Mit seinen sieben Titeln bleibt die F1-Ikone weiter Rekordsieger zusammen mit Hamilton.