Kein neuer Vertrag beim US-Rennstall

Ja oder Nein: Ist Mick Schumachers Aus bei Haas die richtige Entscheidung?

Überraschend kam diese Nachricht nicht mehr: Nach einer monatelangen Hängepartie hat Haas entschieden, wer 2023 neben Kevin Magnussen für den US-Rennstall fährt. Über Mick Schumacher hat Teamchef Günther Steiner den Daumen gesenkt, dafür holt Haas Nico Hülkenberg in die F1 zurück. Eine richtige Entscheidung? Zwei Redakteure, zwei Meinungen:

Ja: Mick hat seine Chance nicht genutzt!

von Christian Schenzel, sport.de

Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Die Formel 1 ist eine knallharte Leistungsgesellschaft und keine "Was-wäre-wenn"-Gesellschaft. Ist es schade, dass Mick die Königsklasse (vorerst) verlassen muss? Ja, keine Frage. Wären die ersten beiden Jahre seiner Karriere bei einem anderen Team vielleicht völlig anders und deutlich erfolgreicher verlaufen? Gut möglich. Aber kann man Haas deswegen wirklich einen Vorwurf machen? Nein.

Lese-Tipp: So reagiert Mick Schumacher auf sein Haas-Aus

Natürlich hat auch das US-Team in den letzten 24 Monaten viel falsch gemacht. Die Aufgabe von Gene Haas, Günther Steiner und Co. ist aber die Bewertung des Ist-Zustands. Und dieser sieht bei Mick nach zwei Jahren nunmal so aus, dass kein einziger Teamchef der Formel 1 die Zukunft des eigenen Rennstalls in die Hände des 23-Jährigen legen würde - zumindest nicht unmittelbar.

Aston Martin hatte die Option, Alpine auch, McLaren ebenso, AlphaTauri, Alfa, Willams - alle wussten, dass Schumachers Vertrag nach der Saison ausläuft und alle hätten sich um ihn bemühen und ihn verpflichten können. Am Ende wollte keiner. Haas hat diese nachvollziehbare Entscheidung ebenfalls getroffen.

Haas-Entscheidung ist nicht falsch!

Auf Zeit spielen und blind hoffen, dass Mick Schumacher in der Saison 2023 vielleicht doch sein ganzes Potenzial ausschöpft, war den Bossen aus guten Gründen zu risikoreich. Vielleicht verfügt Mick über ähnlich viel Talent wie ein Max Verstappen, Charles Leclerc oder Lando Norris. Gezeigt hat er das in über 40 Rennen aber nicht bzw. nicht oft genug.

Ob es deswegen richtig von Haas ist, die Reißleine zu ziehen, wird die Zeit zeigen. Falsch ist die Entscheidung des US-Rennstalls keinesfalls. Und für Mick Schumacher könnte ein Jahr auf der Ersatzbank - womöglich als Reservefahrer bei Mercedes - am Ende vielleicht sogar zum Glücksgriff werden.

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Nein, Mick hatte nie eine richtige Chance

von Chris Rohdenburg, sport.de

In einer der vielen netflix-Dokus über die Formel 1 prägte Haas-Teamchef Günther Steiner mit Bezug auf den US-Rennstall nach einem vielbeachteten Wutausbruch einst den bis heute nachhallenden Satz: "We look like a bunch of wankers". Was freundlich übersetzt so viel bedeutet wie: "Jetzt stehen wir wie so ein paar Idioten da!". Nach dem Aus von Mick Schumacher gilt der Satz für das US-Team einmal mehr.

Lese-Tipp: Warum das Haas-Aus Mick stärker machen wird

Warum schmeißt man die Gelegenheit weg, weiter mit einem der bekanntesten Namen aller Zeiten zusammenzuarbeiten? Dass der Sohn von Formel-1-Rekordchampion Michael Schumacher Talent hat, bewies er bereits in den Nachwuchsserien und auch in der Königklasse ließ der frühere Formel-2-Sieger sein Können mehr als einmal durchblicken. Offenbar war man bei Haas aber nicht bereit, genauer hinzuschauen.

Stattdessen stellte der Rennstall, der sein Auto in jedem Jahr ganz unironisch "very first" (Allererster) nennt, Schumacher sowohl mit dem VF-21 als auch mit dem diesjährigen VF-22 einen Boliden zur Verfügung, der keinesfalls für konstante Punktgewinne geschweige denn Plätze ganz vorn gemacht war.

Haas stellt krude Forderungen an Schumacher

Gleichzeitig forderten aber sowohl Steiner als auch Teambesitzer Gene Haas, dass der junge Deutsche sich seinen neuen Vertrag "verdienen" solle, indem er konstant WM-Zähler einfährt. Unmöglich! Hätte Jan Ullrich die Tour de France 1997 wohl auf einem Discounter-Rennrad gewonnen?

Auf sein Team konnte sich Schumacher jedenfalls kaum verlassen. In zahlreichen Fällen sorgte dieses mit merkwürdigen Strategie-Entscheidungen oder verpatzten Boxenstopps dafür, dass sich geringe Punktechancen zerschlugen. Währenddessen fand Teamchef Steiner keine klare Linie in der Außendarstellung, zählte Schumacher immer wieder öffentlich an, lobte selten und zu ungewöhnlichen Zeitpunkten. Von nachhaltiger Motivation und Förderung für den zurückhaltenden Deutschen keine Spur!

Es passte einfach nicht zwischen Haas und Schumacher, das kristallisierte sich in den letzten zwei Jahren mehr und mehr heraus. Fehler, die ein junger Fahrer machen muss, um sich weiterzuentwickeln, waren beim klammen Haas-Rennstall von Anfang an nicht gern gesehen. Der Dauerdruck beim US-Team färbte zusätzlich auf Schumacher ab. Eine Negativ-Spirale, an deren Ende keiner mehr gut aussah.