Experten fordern mehr Aufklärung
Kaiserschnitt kann manche Frauen vor schwersten Schäden bewahren

Babys können auf zwei Wegen das Licht der Welt erblicken: durch eine natürliche Geburt oder einen Kaiserschnitt. Letzterer operativer Eingriff gilt gesellschaftlich und unter werdenden Müttern immer noch als Tabu, kommt aber immer häufiger zum Einsatz. Grund für die Ablehnung der OP sind Narbenprobleme, Komplikationen bei Folgeschwangerschaften oder mögliche Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung. Doch Experten sagen, dass ein Kaiserschnitt Frauen vor schweren Schäden bewahren kann. Gynäkologen plädieren für eine bessere Aufklärung - insbesondere bei Risikopatientinnen.
Kleine, übergewichtige Frauen sind Risikopatientinnen
"Es geht nicht um den 'Kaiserschnitt für alle', sondern darum, dass die Frauen mit Risikofaktoren herausgefiltert werden sollten", fordert Kaven Baeßler, Leiterin des Berliner Beckenboden- und Kontinenzzentrums, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Besonders kleine, übergewichtige Frauen mit großen oder schweren Babys laufen Gefahr bleibender Beckenbodenschäden, die durch eine natürliche Geburt hervorgerufen werden. So sei bei 10 bis 20 Prozent der Geburten ein Beckenbodenriss gang und gäbe.
Hervorgerufen wird die Verletzung durch die starke Dehnung der Muskelplatte, die die inneren Organe im Becken zurückhält. Eine Reparatur des Schadens sei derzeit noch nicht möglich. So Baeßler: "Man kann nicht den blanken Muskel wieder ans Schambein tackern."
Umso wichtiger ist es, derartige Schäden zu verhindern. Findet auch Urogynäkologe Hans Peter Dietz: "Unter 30 ist es noch gut möglich, dass die Vorteile einer natürlichen Geburt überwiegen. Aber je älter die Frauen werden, desto wahrscheinlicher sind Beckenboden- oder Dammrisse. Die Elastizität des Gewebes nimmt ab."
Zu wenig Aufklärung für werdende Mütter
Das Problem: Bisher werden werdende Mütter laut Baeßler zu wenig über mögliche Verletzungen, die bei einer natürlichen Geburt entstehen können, aufgeklärt. „Patientinnen mit bleibenden, geburtsbedingten Beckenbodenschäden sitzen in meiner Sprechstunde und bedauern, dass ihnen kein Kaiserschnitt angeboten wurde“, so die Ärztin.
Wie hoch das Risiko einer Beckenbodenverletzung ist, lässt sich dank schwedischer Ärzte sogar erreichnen. Vor einigen Jahren haben sie den „UR-Choice-Rechner“ entwickelt. In Deutschland sei der Rechner aber noch nicht so verbreitet, erklärt Baeßler.
Gegenstimmen zum Kaiserschnitt
Doch es gibt auch Gegenstimmen für eine Risikoaufklärung vor vaginalen Geburten. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) sagt, dass die Gefahr von Beckenbodenschäden durch natürliche Geburten nicht wissenschaftlich bestätigt wurde und bezieht sich laut dpa auf eine Studie von Langzeiteffekten von fast 30 Millionen Geburten. Ein Aufklärungsgespräch würde Frauen nur weiter verunsichern.
Auch Forscher aus Edinburgh verweisen darauf, dass ein Kaiserschnitt zwar keine Beckenbodenschäden oder Inkontinenz hervorrufe, allerdings das Risiko anderer körperlicher Folgen erhöhe. Beispielsweise spätere Fehlgeburten oder ein erhöhtes Asthmarisiko bei den Kindern.
Unabhängig von den Stimmen für und gegen eine natürliche Geburt oder einen Kaiserschnitt sollte sich jede schwangere Frau von dem Frauenarzt ihres Vertrauens über ihre Möglichkeiten beraten lassen.