Was Tourismus-Experten sagen
Erst Corona, jetzt Energiekrise! Ist unser Winter-Urlaub schon wieder in Gefahr?
Kilometerlange Seilbahnen mit beheizten Sitzen, riesige Schneekanonen, um künstlichen Schnee zu produzieren – Skigebiete sind wahre Energiefresser. Was bedeutet das angesichts der aktuellen Krise für den kommenden Winter? Ist unser Skiurlaub 2022/2023 womöglich in Gefahr?
Energiefresser Nr. 1: Schnee, wo es gar nicht schneit
Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub – viele Deutsche planen nach den Sommerferien so langsam ihre freie Zeit im Winter. Und da locken Deutschlands Skigebiete mit ihrem Freizeitangebot. Doch zum Winterwunderland braucht es viel Energie – ein Gut, das gerade in der kommenden kalten Jahreszeit rar und wertvoll sein wird.
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Dabei kostet allein der Schnee, die Grundvoraussetzung für jeden Winterspaß, Unmengen an Energie. In Deutschlands Mittelgebirgen gibt es schon lange keine Schneegarantie mehr, es muss künstlich nachgeholfen werden. Auf Schneekanonen verzichten könne man in Willingen, dem beliebten und größten Wintersportort in Hessen, nicht, so der Sprecher des Skigebiets Jörg Wilke. Dort sei ein regelmäßiger Skibetrieb ohne Beschneiung nicht möglich. Und der sei nicht nur für die Seilbahnbetreiber wichtig, sondern auch für die gesamte Region. „Wir leben hier von Weihnachten bis zum März vom Wintersport. Daran hängen viele Arbeitsplätze unter anderem in Hotellerie und Gastronomie sowie im Einzelhandel“, so Wilke.
Schneekanonen: Energieverbrauch wie ein Flug in die Karibik
„Ohne künstlichen Schnee hätten wir in der vergangenen Saison 20 Tage Betrieb gehabt, mit waren über 90 Tage möglich“, sagt auch Jeremias Kümpel, Referent der Geschäftsführung der Wiegand Erlebnisberge GmbH, dem Betreiber des Skigebiets auf der Wasserkuppe.
Doch der künstliche Schnee wird wegen des Energie- und Wasserverbrauchs von Naturschützern regelmäßig kritisiert. Die 120 Schneekanonen in Willingen und dem umliegenden Skigebiet Sauerland verbrauchen in der Saison „so viel Energie wie ein mit 250 Personen besetztes Flugzeug auf dem Hin- und Rückflug von Frankfurt in die Karibik“, rechnet Wilke vor. Das sei ein hoher Energieverbrauch in kurzer Zeit, den man aber in Relation zum Nutzen sehen müsse. „Bis zu 19 Millionen Menschen im Umland haben damit Wintersport vor der Tür“, betont Wilke. Zudem werde für die Beschneiung überwiegend die Nachtzeit genutzt, wenn Strom gut verfügbar sei. „Das werden wir noch weiter in den Abend schieben.“
In der Rhön und an der Wasserkuppe setzen die Verantwortlichen auf stromsparende Schneekanonen und eine Teichkühlung, bei der das Wasser schon vor dem Weg in die Schneekanone effizient heruntergekühlt wird.
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Die Fahrt mit dem Lift wird langsamer und kälter
Weitere Energiefresser seien die bis zu 1500 Meter langen Seilbahnen. „Sie sind hinsichtlich effizienter Energienutzung und -einsparung schon gut aufgestellt“, sagte Wilke. Dennoch sieht er Einsparpotenziel, vor allem bei der Geschwindigkeit der Lifte. Die werde in diesem Winter gedrosselt. „Für die Kunden ist das kaum spürbar, aber für uns macht da eine geringe Anpassung relativ viel aus.“ Auch die Sitzheizungen stehen auf Wilkes Liste. Sie brächten in nordhessischen Breitengraden ohnehin eher nur einen Werbeeffekt. „Wir würden sie in diesem Winter nur anmachen, wenn es bitterkalt wird.“
Gäste bei Laune halten: Moderate Preisanpassung bei den Tickets
Doch trotz aller Nöte in Sachen Energie: Die Betreiber wollen den Betrieb aufrecht erhalten, und da müssen eben auch die Besucher helfen: „Wir werden die Preise anheben, aber sicherlich nicht so, wie es notwendig wäre“, sagt Wilke. Die Tageskarte etwa werde für Erwachsene um 5,2 Prozent und somit um zwei Euro angehoben, für Kinder um 4,3 Prozent beziehungsweise um einen Euro. „Das deckt die Kostensteigerung nicht, aber wir haben versucht, den Spagat hinzubekommen, dass Skifahren noch eine bezahlbare Freizeitaktivität bleibt.“ Aus wirtschaftlicher Perspektive hätte die Erhöhung mindestens doppelt so hoch ausfallen müssen. „Aber wir zielen darauf, dass noch möglichst viele Menschen unser Angebot wahrnehmen und Spaß haben können.“
Worst Case-Szenario: Stromstopp für Freizeitaktivitäten
Wie hart es die Skigebiete am Ende treffen wird, hänge von den weiteren Entwicklungen ab. „Der schlimmste Fall wäre, wenn der Strom für Freizeitaktivitäten abgestellt würde oder die Saison verspätet starten müsste“, sagt Kümpel. „Wir machen uns Gedanken und bereiten uns auf die Situation vor, hängen aber auch von politischen Entscheidungen ab, die wir einfach akzeptieren müssen.“ (dpa/gmö)