Einigung auf Etat-Entwurf: EU-Haushalt nur Augenwischerei?
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich nach einem 26-stündigen Verhandlungsmarathon auf einen neuen Finanzrahmen bis zum Jahr 2020 geeinigt. Das teilte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy per Kurznachrichtendienst Twitter mit. Nun muss nach den Lissabon-Verträgen das EU-Parlament dem Haushalt zustimmen. Das war bei den Etats der Vergangenheit nicht notwendig. Die Zustimmung ist allerdings ungewiss.

Das Problem: Die grundsätzliche Einigung vom Morgen sah eine Summe von 960 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen vor. Aber das war nur eine Zahl. Laut EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) wollten die EU-Staaten nur 908 Milliarden Euro an tatsächlichen Zahlungen zur Verfügung stellen. Das ergibt einen theoretischen Fehlbetrag von 52 Milliarden Euro, also ein Defizit. Das ist laut Schulz "in der EU juristisch verboten", deshalb kündigte er während der Verhandlungen bereits an: "Diese Einigung findet keine Zustimmung."
Ist der Haushalt also nur Augenwischerei oder nur politisches Kalkül? Das ist nicht so einfach zu beantworten. Die tatsächlichen Ausgaben (EU-Sprache: Zahlungsermächtigungen) für ein Programm oder Projekt haben in der EU schon immer die dafür bereitgestellte Summe (EU-Sprache: Verpflichtungsermächtigungen) unterschritten.
Schulz spricht von einem "unglaublichen Täuschungsmanöver", das "hinter verschlossen Türen" ersonnen wurde. Die Einigung sei "unseriöse Politik". Kein verantwortungsbewusster Parlamentarier des Europäischen Parlaments würde diese Defizitpolitik mitmachen. "Ich sehe nicht, wie das eine Mehrheit finden soll."
Ob die EU damit in den kommenden sieben Jahren mehr oder weniger als in der laufenden Finanzperiode ausgibt, kommt auf die Sichtweise an. Gegenüber der Summe zum Abschluss der Periode 2007 bis 2013 sind es gut drei Prozent weniger. Im Vergleich zu der 2005 vereinbarten Ausgangssumme von 865 Milliarden Euro ist es dagegen ein Anstieg um gut 100 Milliarden Euro.
Agrarsubventionen bleiben größter Posten
Auch wird die Obergrenze des neuen Haushaltes nicht bei 960 Milliarden Euro bleiben. Rechnet man in den neuen Etat auch noch die sogenannten Schattenhaushalte dazu - unter anderem die Entwicklungspolitik und einen automatischen Inflationsaufschlag, so steigt die tatsächliche Obergrenze sogar auf 997 Milliarden Euro.
Im Einzelnen sieht der Haushalt folgende Zahlungen vor: Subventionen für Bauern und Strukturhilfen für die wirtschaftlich schwächeren Staaten bleiben die größten Posten, allerdings mit abnehmender Tendenz. So sinken die Mittel für den Agrarsektor auf 373,5 Milliarden Euro oder knapp 39 Prozent des Gesamtetats im Vergleich zu 42 Prozent in der Finanzperiode 2007 bis 2013.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich zufrieden: "Die Einigung ist gut und wichtig." Damit gebe es für die EU nun Planbarkeit, die 27 Staats- und Regierungschefs hätten ein Zeichen der Solidarität gesetzt. Die Obergrenzen des Finanzrahmens würden den Konsolidierungsbemühungen der Länder gerecht, erklärte Merkel. Sie hatte sich neben Großbritanniens Premier David Cameron besonders für Kürzungen des Siebenjahresbudgets eingesetzt.
Wie schon Parlamentspräsident Schulz, lehnen die vier großen Fraktionen im Europaparlament den Gipfelbeschluss ab. In einer gemeinsamen Mitteilung erklärten sie, sie akzeptierten den Kompromiss nicht. "Diese Vereinbarung wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nicht stärken, sondern schwächen. Sie ist nicht im Hauptinteresse der europäischen Bürger", erklärten die Fraktionsvorsitzenden.
EU-Gipfelchef Van Rompuy entgegnete auf die Einwände der Volksvertretung, der Gipfel habe seine Verantwortung übernommen. Es sei nun am Parlament, sich verantwortungsbewusst zu zeigen. "Man muss gut überlegen, ein Budget zurückzuweisen", sagte der Belgier.