Hansel Enmanuel begeistert mit Dunks und Lebensfreude

Einarmiger Basketballer verzaubert Sport-Welt - und wird zum großen Vorbild

Hansel Enmanuel ist eine College-Sensation

Der ersehnte Moment beginnt mit einem Fehlwurf. Hansel Enmanuel steht Mitte Dezember für seine Northwestern State Demons an der Freiwurflinie – er verwirft. Sein Team aber holt den Rebound, der Ball landet wieder bei ihm. Und Enmanuel vollendet den Angriff mit dem, was ihn so berühmt gemacht hat. Mit Urgewalt schreitet er durch die Zone und dunkt das Leder durch den Ring. Frenetischer Jubel in der Halle. Nun war dies nicht irgendein Dunking, sondern die ersten zwei Punkte überhaupt in seiner College-Karriere.

"Man darf nicht aufgeben"

Fünf Zähler standen am Ende in den Statistikbögen. Zuvor war Enmanuel mehrere Spiele punktlos geblieben. Seine bisherigen Stats lassen kaum erahnen, dass er einer der meistbeachteten Basketballspieler im US-Collegesport ist. In 19 Spielen kommt er auf 7,3 Minuten Einsatzzeit, 1,8 Punkte und 1,1 Rebounds. Es sind nicht die Statistiken eines Stars.

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Aber darum geht es nicht. Enmanuels Geschichte geht weit über Punkte, Rebounds und Assists hinaus. „Ich weiß, dass meine Familie stolz ist. Ich musste weiterarbeiten. Man darf nicht aufgeben“, sagte er nach seinen ersten College-Punkten stolz.

Dass der junge Mann, 19 Jahre alt, überhaupt hier am College auf diesem Level spielen kann, verblüfft. Denn Enmanuel spielt mit einem Defizit, das im Basketball - dem Sport der Hände - noch massiver ist als ohnehin schon. Seit seiner Kindheit hat er nur einen Arm. Als er sechs Jahre alt war, begrub ihn in seiner dominikanischen Heimat eine Mauer. Erst Stunden später fand ihn sein Vater. Für seinen linken Arm kam die Hilfe zu spät, er musste knapp unterhalb der Schulter operativ entfernt werden.

Athletisch, mental stark und spektakulär

Heutzutage spricht Enmanuel von einem „Segen“. Man kann nur erahnen, welche Energie notwendig ist, die positive Einstellung und einen Optimismus trotz eines solch schlimmen Unfalls beizubehalten. „Ich dachte, es sei vorbei. Was soll ich nun tun?“, fragte er sich dem Unfall, wie er der „AP“ in einem seiner ganz wenigen Interviews erklärte.

Der kleine Hansel spielte gerne Baseball, wechselte nach dem Unglück auf Basketball, was seinem Vater zuerst gar nicht gefiel. Dabei machte Vater Hansel Salvador selbst als Profi-Basketballer Karriere. Die Anlagen, das Talent von Enmanuel sind unverkennbar. Er ist 1,98 Meter groß, ein Muskelpaket, das aus der Halle springt - so groß ist die Sprungkraft.

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„Er ist ein sehr athletischer Spieler, der mit viel Einsatz spielt. Er kann mit seiner starken Hand dribbeltechnisch viel leisten“, erklärt Basketball-Experte und Autor André Voigt im Gespräch mit RTL/ntv. „So überspielt und kaschiert er eben, dass er keine andere Hand hat.“

Inspirierende Liegestütze-Geschichte aus dem Training

In der Dominikanischen Republik machte Enmanuel im Jugendalter erste Aufnahmen von sich beim Streetball spielen. Die Life Christian Academy in Kissimmee (Florida) wurde auf den Nachwuchsmann aufmerksam. Der dortige Trainer war einst Mitspieler von Vater Salvador und lotste Hansel per Stipendium an die US-Schule. Dort nahm der Hype erst richtig Fahrt auf. 2021 wurde er eine Social-Sensation. Krachende Einarm-Dunkings flimmerten als Dauer-Highlight-Reel durchs Netz und katapultierten ihn in neue Sphären. Inzwischen folgen ihm 1,6 Millionen Menschen bei Instagram.

NBA-Legende Shaquille O‘Neal setzte sich im Sommer 2022 für den Guard ein, als College-Angebote für ein Stipendium zunächst ausblieben. Die Center-Ikone teile auch eine bewegende Geschichte rund um Enmanuel bei Instagram.

In einem Video erklärt sein College-Coach Corey Gipson, was den Spirit Enmanuels ausmacht. Als Strafe ließ Gipson sein Team stets Liegestützen auf den Fingerspitzen machen. Nun aber da Enmanuel frisch an Bord war, fühlte es sich für den Trainer falsch an. Er sagte: Wir machen Sprints. Enmanuel aber merkte laut seines Coachs, was Sache ist. Der Youngster bestand darauf, dass die Push-Ups durchgezogen werden. Also Liegestützen fürs gesamte Team. Doch die Physik machte Enmanuel einen Strich durch die Rechnung, beim ersten Push-Up auf einer Hand versagten ihm die Kräfte, er zitterte. Das Team hielt inne – und reagierte perfekt. Ein Teamkollege kam herüber, packte Enmanuel an der Hüfte und half ihm bei der Ausführung. „Sie haben alle fünf zusammen gemacht“, sagt sein Coach stolz. „Come on“, habe Hansel geschrien. „Er ist so viel mehr als nur Dunks“, sagt Trainer Gipson.

Einarmiger Basketballer will bloß kein Mitleid

So ticke er eben, erklären seine Mitspieler. Enmanuel will keine Extrawurst – schon gar kein Mitleid. Er will einfach Basketballspielen. Und er will sich seinen Platz als Basketballer mit ehrlicher Arbeit verdienen. Nicht durch seinen Insta-Fame, nicht als Werbezugpferd oder Zirkus-Nummer. Da half es sicher auch, dass er sich für die kleine Northwestern State Uni in Louisiana entschied. Kleiner Ort, weniger Ablenkungen, weniger Spotlight. „Er hat eine unglaubliche Arbeitseinstellung“, sagte Teamkollege Isaac Haney der „New York Times“.

Enmanuel Stats sind nicht atemberaubend, er selbst will auch gar nicht so sehr die Schlagzeilen dominieren, wie er betont. Er dominiert sie dennoch und profitiert davon. Der 19-Jährige hat mehrere Werbedeals, unter anderem mit Adidas und dem Getränkehersteller Gatorade. Er zeigt sich gerne mit teuren Autos auf Instagram. Sein Stipendium als ausländischer Spieler erlaubt es ihm, üppige Nebeneinkünfte mitzunehmen. Nicht schlecht als Rollenspieler einer eher unbedeutenden und kleinen Uni.

NBA als Ziel nicht realistisch

Für den ganz großen Schritt in die NBA, dem Traum aller College-Spieler, wird es nicht reichen, ist sich Experte Voigt sicher. „Im Zweifel ist er kein NBA-Talent, irgendwann ist es nicht mehr zu kompensieren, dass du nur zu einer Seite ziehen kannst. Und wenn du auf die andere Seite willst, musst du mit dem Dribbling Dinge machen, die Zeit erfordern“, erklärt er. „Für die NBA wird es nicht reichen, weil es ein zu großes Handicap ist, wenn man nur einen Arm, eine Hand hat.“ Dass Enmanuel den Sprung aufs College gepackt hat, sei an sich schon eine „tolle Geschichte“.

Zum kitschigen Happy-End fehlte dann auch nicht viel. Nach seinen ersten Punkten im Dezember 2022 stieg seine Einsatzzeit an, er stand mehrmals in der Starting 5. Enmanuel entwickelte sich nicht zum Star des Teams, aber ist ein wichtiger Baustein. Er bringt Energie mit, zerreißt sich in der Defense und hat einen guten Wurf von außen. So half er mit, dass die Demons das Finale der Southland Conference erreichten. Erstmals seit zehn Jahren stand das Team kurz davor, das legendäre Meisterschaftsturnier der NCAA, der College-Liga, zu erreichen. Im Finale unterlagen sie in der Nacht auf Donnerstag knapp mit 71:75 gegen Texas A&M.

Der Final-Traum ist geplatzt, der Weg von Enmanuel geht weiter. Daran gibt es keine Zweifel. Ein großes Ziel ist schon erreicht: Er wird als Basketballer ernstgenommen.