Angeklagte gibt Messerangriff auf Bruder nach 15 Jahren zu
Eigene Schwester hat mit Messer auf Bruder eingestochen: Opfer sagt unter Tränen aus

Wie sehr können Geschwister in Streit geraten, dass so etwas passiert? Eine junge Frau soll vor 15 Jahren im niedersächsischen Dinklar mit einem Messer auf ihren Bruder eingestochen haben und gibt die Tat nun vor dem Landgericht Hildesheim zu. Psychoterror und Streit sind laut Angeklagter und Opfer der Tat vorausgegangen. Das Opfer leidet offenbar noch heute unter dem Messerangriff.
Landgericht Hildesheim: Opfer kann nicht im Gerichtssaal sitzen
Wie sehr der Bruder leidet, wird beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Hildesheim deutlich: Der 34-jährige Nebenkläger und Zeuge kann seiner Schwester nicht direkt im Verhandlungssaal gegenübersitzen und aussagen. Zu sehr wirken offenbar die seelischen Schmerzen nach. In der Nacht zuvor und noch im Gerichtsgebäude sucht er immer wieder die Toilette auf und muss sich übergeben, wie unsere RTL-Reporterin vor Ort erfährt. Der psychiatrische Gutachter entscheidet, ihn per Video aus einem anderen Raum zuzuschalten, die psychische Belastung sei sonst zu hoch.
Schwester gesteht die Messerattacke: "Ich wollte ihn nicht töten"
Am Mittwochmorgen ist noch seine Schwester befragt worden. Sie gibt den Messerangriff von 2007 zu. Die damals 21-Jährige soll laut eigener Aussage nach einem Streit auf ihren ein Jahr jüngeren Bruder einmal eingestochen haben: „Ich wollte ihn nicht töten. Ich wollte ihn nur verletzen, wie er mich verletzt hat“, sagt sie vor Gericht. Weil ihr Bruder 15 Jahre später den Eltern gedroht haben soll, habe die 35-Jährige sich an die Polizei gewandt und die Tat selbst angezeigt.
Schwester und Bruder hatten schwieriges Verhältnis in der Kindheit
Laut dem Opfer habe seine Schwester ihn sein Leben lang schikaniert. In der Nacht soll sie ihn regelmäßig mit dem Knie ins Gesicht getreten oder ihm Reißzwecken ins Bein gestochen haben. Unter Tränen berichtet das Opfer von täglichem Terror und Angstzuständen. Seine Schwester beschreibt ebenfalls ein schwieriges Verhältnis der beiden mit vielen körperlichen Auseinandersetzungen, auch von seiner Seite. Die gesamte Kindheit sollen die beiden sich ein Zimmer geteilt haben. Dabei kam es wohl häufig zum Streit. Die Rolle der Eltern ist bisher unklar. Laut dem Opfer haben sie die Schwester unterstützt. Sie sagt hingegen, er hätte sich eine Bevorteilung eingebildet.
Messerstich-Opfer: Ein Leben in Angst
Der Bruder sei laut eigener Aussage als Kind sehr still und zurückgezogen gewesen. Er konnte sich nicht durchsetzen und hatte keine Freunde. Als Anfang 2007 seine einzige Bezugsperson, die Oma verstirbt, droht ihm seine Schwester. „Du bist der Nächste. Ich steche dich ab. Ich bringe dich um“, sagt er im Gericht. Er beschreibt ein Leben in Angst. 2012 wird er wegen psychischer Belastungen in die Frührente geschickt.
War es eine geplante Tat oder Ergebnis eines Streits?
Am Tag der Tat soll das Opfer seiner Schwester beim Mittagsschlaf einen Faustschlag ins Gesicht verpasst haben, sagt sie. Weil der Vater ihr nicht helfen will, greift sie im Streit zum Messer. Ihr Bruder widerspricht im Prozess später. Er sagt, die Tat sei geplant gewesen. Er habe sich an dem Tag mit seiner Schwester gestritten, aber wieder vertragen. Dann kam das Messer von hinten in den Rücken.
Haben die Eltern den Messerangriff verschleiert?
Im Krankenhaus sollen die Eltern gesagt haben, dass ihr Sohn in einem Feld überfallen worden sei, berichtet er vor Gericht. Zuhause haben sie ihn dann unter Druck gesetzt. „Wenn du zur Polizei gehst, dann kannst du deine Sachen packen“, sollen sie gesagt haben, beteuert er.
Heimtückischer Mordversuch oder gefährliche Körperverletzung?

Jetzt, 15 Jahre später, wird der Fall erst vor Gericht verhandelt. Nach dem Geständnis der Angeklagten muss das Gericht nun klären, ob es sich um einen heimtückischen Mordversuch oder eine gefährliche Körperverletzung handelt. Die wäre nach 15 Jahren schon verjährt. Für den heimtückischen Mordversuch drohen bis zu 15 Jahre Haft.